Andentour 2008

Pässe, Puna, Lipez-Route – Andentour 2008

von Wolfgang Butz


Urlaubsgrüße 1

Hallo – Urlaubsgrüße, das bedeutet: ich bin wieder mit dem Fahrrad in Südamerika unterwegs. Wie schon bei meinen vorangegangen Touren werde ich wieder gelegentlich über den Reiseverlauf in einem Newsletter berichten.

Jetzt zu Beginn der Reise gibt es noch nicht viel zu erzählen. Samstag Nachmittag bin ich nach einem langen Flug in Santiago de Chile angekommen. Am Sonntag Morgen nach ausgiebigem Frühstück wurde das Fahrrad montiert; nachmittags dann Start zur ersten Etappe. Die eher flachen 80 km nach Los Andes sollten eigentlich eine gemütliche Nachmittagstour werden, aber ungewohnte Temperaturen (fast 40 Grad C) und extreme Ozonwerte machten mir dann doch richtig zu schaffen.

Jetzt muss ich noch ein bisschen einkaufen und dann geht es in die Berge, über den Paso Bermejo nach Mendoza (Argentinien). Die für die nächsten zehn Wochen geplante Route ist in der nachstehenden Karte skizziert. Daneben ein Blick aus dem Flieger beim Anflug auf Santiago – irgendwo da unten muss er sein, der Paso Bermejo.

Anflug auf Santiago - wo ist der Paso Bermejo?

Hier noch ein Blick auf die geplante Route:

geplante Route

Dann erst mal Grüße aus dem sommerlichen Chile,

Wolfgang


Urlaubsgrüße 2

Mit der letzten Mail hatte ich mich aus Los Andes (Chile) gemeldet. Dort habe ich beim Einkaufen Roberto kennengelernt – einen Schweizer mit chilenischen Wurzeln. Er musste als Kind 1973 mit seinen Eltern nach dem Militärputsch aus Chile fliehen. Jetzt haben er und seine Familie sich in der Schweiz für ein Jahr beurlauben lassen. Diese Zeit verbringen sie hier bei Verwandten, damit die Kinder Spanisch und das Herkunftsland des Vaters kennen lernen. Wir haben dann etliche Biere zusammen getrunken, und am späten Nachmittag bin ich dann ziemlich angetüdelt losgefahren.

Der Ehrgeiz war entsprechend gering; es sind dann auch nur 50 km und wenige hundert Höhenmeter zusammen gekommen. Am Dienstag wurde es dann ernst – ich habe zwar auch nur 50 km geschafft, aber immerhin 2600 Höhenmeter. Einige Kehren unterhalb des Paso Bermejo habe ich auf 3800 m mein Zelt aufgebaut. Beim Abendessen kam dann Besuch; mit den Essenresten habe ich wohl einen Wachhund für die Nacht angestellt.

Wachhund für die Nacht

Am nächsten Morgen erwarteten mich dann heißer Kaffee und belegte Brötchen auf der Passhöhe. Eine argentinische Familie war für ein Frühstückspicknick auf den Pass gefahren und ich wurde sofort eingeladen. Die Eltern haben wohl einen kleinen Laden in San Rafael (ca. 300 km südlich), und die älteste Tochter, Silvana, arbeitet den Sommer über in Spanien in einem Hotel bei Malaga. Leider konnte ich die Einladung, die Familie zu besuchen, nicht annehmen – der Umweg wäre einfach zu groß gewesen.

Auf dem Paso Bermejo

Von der Passhöhe ging es dann erst mal 100 km auf guter Straße (leider auch stark befahren) durch das eindrucksvolle Tal des Rio Mendoza bergab. Amerikas höchster Berg, der Aconcagua (6962m), versteckt sich leider teilweise hinter den Wolken. Bei Uspallata verlasse ich dann die Hauptstraße und fahre auf einer abgelegnen Piste durch den Villavicencio-Naturpark die restlichen 100 km nach Mendoza.

Im Villavicencio-Naturpark

Mendoza erreiche ich am späten Abend, nahezu alle Unterkünfte sind ausgebucht. Nach über zwei Stunden Suche steige ich dann entgegen meiner Reisephilosophie in einem Dreisterne-Hotel ab. Am nächsten Morgen wechsle ich dann in ein Hostal über. Dort lerne ich John kennen, einen 70-jährigen Althippie aus den USA. Mit John gehe ich dann abends auf eine Weinprobe; Mendoza ist das Weinbauzentrum in Argentinien. Für rund 5 Euro Eintritt darf unbegrenzt bester Wein getrunken werden. Geschäftstüchtige Angestellte versuchen dabei, größere Posten Wein an angetrunkene Touristen zu verkaufen – ich hoffe, auf mich warten jetzt keine 100 Kisten zuhause!

Von Mendoza fahre ich dann weiter auf der Ruta 40 (Haupt-Nord-Süd-Verbindung) über San Juan nach San José de Jachal – eine unendlich langweilige, staubige und endlos gerade Hauptstraße. Mangels Abwechslung fahre ich am ersten Tag 170 km bei den üblichen 40 Grad.

Am zweiten Tag begehe ich dann den schlimmstmöglichen Fehler einer Südamerika-Radtour: ich verlasse mich auf die Landkarte. Zwischen Mendoza und San Juan war auf der Karte kein einziger Ort eingezeichnet, trotzdem gab es jede Menge kleiner Läden und Restaurants an der Strecke. Auf der Etappe von San Juan nach San José de Jachal hingegen sind mehrere kleine Orte eingezeichnet – ich dachte daher, die Wasserversorgung dürfte kein Problem sein. Doch diese Orte stellen sich schnell als verfallen Bahnhöfe einer stillgelegten Eisenbahnlinie heraus, und meine zwei Liter Wasser sind trotz sparsamen Umgangs nach 70 km alle – und noch 80 km bis zum nächsten bewohnten Ort. Irgendwann wird der Durst dann doch so groß, dass ich Autos anhalte und um Wasser bettle.

Straße bei San Juan

Nachts gibt es dann ein Gewitter, wie ich es bisher noch nicht erlebt habe! Sturm, nur wenig Regen, aber in extremer Folge Blitz und Donner. Am Morgen dann Nieselregen bei 25 Grad – eine willkommene Abwechslung zu brennender Sonne. San José erreiche ich dann gegen 10 Uhr. Die Lust auf Weiterfahren ist gering und ich gönne mir einen Ruhetag: Kleider waschen, Fahrrad warten und Proviant für die nächsten Bergetappen einkaufen. Morgen werde ich dann Richtung Paso Agua Negra aufbrechen, mit 4800 m einer der höchsten Pässe zwischen Argentinien und Chile.

Gruß Wolfgang


Urlaubsgrüße 3

Letztes Mal hatte ich mich aus San José gemeldet. Von dort bin ich den Paso Agua Negra hochgefahren. Bei diesem Pass habe ich sieben andere Radler getroffen, das ist mehr als bei meinen beiden früheren Südamerikatouren zusammen in jeweils zweieinhalb Monaten. Der älteste war über 70 – das macht Hoffnung, dass ich auch noch ein paar Jahre Pässe fahren kann.

Der Plan war, den Agua Negra hoch und wieder hinunter nach Argentinien zurück zu fahren, dann weiter über den Paso Pircas Negras von Argentinien nach Chile. Mit dem Agua Negra hat es schon mal gut funktioniert. Dann bin ich weiter nach Villa Unión, dort gab es am letzten Samstag ein klasse Musikfestival (Folklore). Am Sonntag ging es dann nach wenig Schlaf und mit dickem Kopf weiter nach Vinchina. Dort sollte es eigentlich den Ausreisestempel für die Weiterfahrt nach Chile über den Pircas Negras geben.

Bei der Gendameria hieß es aber dann, den Stempel gibt es nur von Mittwoch bis Samstag und der Grenzübergang ist nur bis zum 29.02. geöffnet. Aber auch wenn ich bis Mittwoch warten würde bekäme ich keinen Ausreisestempel, da nicht sicher ist, dass ich bis zum 29.02. den chilenischen Grenzposten ereiche. Die Grenzer waren nicht mal bösartig; sie haben mehrere Telefonate geführt, ob eine Ausnahme möglich sei, aber Befehl / Weisung bindet eben – und meine Reisepläne sind erst einmal vollkommen aus dem geplanten Konzept.

Mit viel Wut im Bauch fahre ich dennoch die 4000 Höhenmeter hoch zum Grenzpass (Pircas Negras), die tolle Landschaft entschädigt ein bisschen für den Frust. Oben auf der Passhöhe überlege ich – soll ich ohne Stempel weiter nach Chile fahren? Ich lasse es aber dann doch bleiben, das würde nur großen Ärger bei der Einreise nach Chile mit sich bringen, und ich möchte ja auch nochmal nach Argentinien einreisen. Daher dieselbe Strecke wieder zurück nach Villa Unión!

Mein ursprünglicher Plan war, über der Paso San Francisco von Chile wieder nach Argentinien zurück und dann eine recht abgelegene Tour durch die argentinische Puna (Altiplano) zu fahren. Jetzt werde ich den San Francisco von der anderen Seite her angehen. Wie es dann weitergeht, da bin ich selbst noch am Überlegen:

1.) Auch nur bis zur Passhöhe hoch, dann zurück nach Argentinien und weiter nach ursprünglichem Plan.

2.) Über den San Francisco nach Copiapó (Chile), dann über den Paso Socompa nach Argentinien und ein paar Abstecher in die Puna.

3.) Den San Francisco nach Copiapó und dann auf gleichem Weg zurück nach Argentinien.

Nr. 2 ist die wahrscheinlichste Variante. Dann bis demnächst,

Gruß Wolfgang


Urlaubsgrüße 4

Von Vinchina ging es weiter durch die argentinische Provinz La Rioja und über den Paso San Francisco nach Chañaral, einer mittelgroßen Stadt am Pazifischen Ozean.

Besonders auffällig für den Mitteleuropäer ist die ausgedehnte Siesta in La Rioja – gegen 13 Uhr schließen alle Geschäfte und die Straßen und Plätze sind dann plötzlich menschenleer (so wie die Dessauer Innenstadt nach 20 Uhr). Erst gegen 19 Uhr öffnet alles und bis Mitternacht tobt dann das Leben in den Orten.

Fiambala, den letzten Ort vor dem Paso San Francisco, erreiche ich am frühen Nachmittag. Die Ausschilderung verweist auf ein Thermalbad, 14 km außerhalb des Ortes; 14 km asphaltierte Straße bis zum Kassenhäuschen und von dort noch 2 km mit über 20% Steigung auf grobem Schotter zu den Termas. Am Parkplatz treffe ich ein Schweizer Paar, das mit einen riesigen Geländewagen unterwegs ist. Nette Leute – sie bieten mir gleich ein kaltes Bier aus ihrem Kühlschrank an.

Am nächsten Tag ging es dann Richtung Pass – 3500 m Höhenunterschied auf 200 km bester Asphaltstraße bis zur Grenze, in Chile dann nochmals 300 km auf Piste bis zum ersten Ort, alles ohne irgendwelche Versorgungsmöglichkeiten. Zunächst kam ich auch gut voran, aber so ab einer Höhe von 4000 m wurde der Gegenwind absolut unerträglich – fahren war kaum noch möglich. Bei der Abfahrt von der Passhöhe bis zur etwa 400 m tiefer gelegenen Laguna Blanca musste ich teilweise sogar bergab schieben. Von der Passhöhe aus wollte ich eigentlich noch den 6000m hohen Nevado San Francisco besteigen, aber der orkanartige Wind nahm mir jede Lust auf dieses Unternehmung.

Auch an der Laguna Blanca gibt es warme Quellen, aber etwas enttäuschend, da eigentlich nur tief genug für ein Fußbad. Dort treffe ich ein paar Geographen aus Deutschland, die die Gletscher am Nevado Ojos del Salado (dem höchsten Vulkan der Erde) kartieren.

Auf der chilenischen Seite des Passes sind es noch über 100 km bis zur Grenzkontrolle, die immer noch auf fast 4000 m liegt – ein paar Baracken und eine Riesen Halle zur Grenzkontrolle, die innen einem Flughafenterminal gleicht. Nutzlos stehen zwei riesige Geräte zum Durchleuchten des Gepäcks in dieser Halle – bei einem Grenzübergang mit vielleicht fünf bis zehn Fahrzeugen am Tag. Die Grenzer sind freundlich und verzichten auf jede Kontrolle, sie bieten mir sogar unaufgefordert Wasser an.

Vom Grenzübergang sind es dann immer noch fast 200 km zum nächsten Ort und 300 km zum Meer. Alles mit brutalem Gegenwind – noch nie musste ich so in die Pedale treten, um von einem Pass wieder herunter zu kommen. Ich kann nur allen empfehlen, den San Francisco von Chile aus anzugehen, das ist sicherlich deutlich einfacher.

Im ersten Ort (Portrerillos, ein kleines Bergbaunest) kann ich dann doch nicht an der Kneipe vorbeifahren – das erste Bier nach sechs Tagen Wüste schmeckt einfach unbeschreiblich! Einen Tag später springe ich dann in den kalten Ozean – die extreme Brandung macht Schwimmen leider unmöglich.

Gestern bin ich dann mit dem Bus von Chañaral nach Calama gefahren. Mit dem Rad hätte ich wohl fünf Tage für diese recht langweilige Strecke gebraucht. Der Tacho zeigt jetzt schon deutlich über 3000 km an – seit Mendoza habe ich mir keinen Ruhetag gegönnt. Irgendwie steigt das Bedürfnis, den zweiten Teil der Reise etwas langsamer anzugehen und am einen oder anderen interessanten Ort auch mal ein, zwei Tage zu bleiben. Die ursprünglich geplante Route muss ich dann jedoch aus zeitlichen Gründen wohl etwas reduzieren.

Morgen geht es auf jeden Fall weiter nach San Pedro de Atacama und dann wieder nach Argentinien – ob über den Paso Sico oder über den Socompapass, da bin ich selbst noch am überlegen. Leider macht auch die Fotocamera ziemliche Probleme – die meisten Bilder sind total überbelichtet und unbrauchbar.

Gruß Wolfgang


Urlaubsgrüße 5

Das letzte Mal hatte ich mich aus San Pedro de Atacama (Chile) gemeldet – ist schon eine Weile her, bin halt zur Zeit etwas schreibfaul. Von dort bin ich dann über den Paso Sico nach San Antonio de los Cobres gefahren. Der Sico ist ein wunderschöner Pass, aber auch recht schwer zu fahren, viel Sand und Wellblech, halt alles, was dem Radler das Leben schwer macht. Aber die Landschaft, Salzseen, Lagunen mit Flamingos und die hohen Berge entschädigen. Es hat auch recht wenig Verkehr, so zwei bis drei Autos am Tag, fast alles Touristen.

Von San Antonio ging es dann weiter über Argentiniens höchsten Pass, den Abra de Acay (4900 m). Die Argentinier behaupten, das sei der "höchste Pass der Welt", aber in Bolivien und Peru geht’s noch ein bisschen höher, und vor allem Asien hat da noch ganz anderes zu bieten. Der Pass selber ist wenig spektakulär, einfach nur hoch und kalt, aber die Abfahrt durch das Calchaqui-Tal nach Cachi ist einfach sensationell – eine extrem schmale Piste im Steilhang, Furten durch den reißenden Fluss, und auch Cachi mit seinem historischen Ortskern ist einen Besuch wert.

Von Cachi ging es dann weiter nach Salta, mit Abstand die schönste und interessanteste Stadt meiner ganzen Reise. Mittlerweile bin ich in Tupiza, Bolivien, und bereite mich auf die letzte Etappe der Tour vor: durch die Sierra de Lipez zurück nach Chile.

Langsam wird es Zeit, dass der Urlaub zu Ende geht, denn meine Ausrüstung zeigt deutliche Schwächen. Am Paso Sico hat der Sturm den Reißverschluss des Außenzelts zerfetzt; ich konnte ihn nur notdürftig mit Bändern zum Zuknüpfen reparieren. Und bei der Abfahrt vom Abra de Acay ist der Mantel am Hinterrad mit einem lauten Knall geplatzt. Den Riss konnte ich mit Nadel, Faden und Gewebeklebeband soweit flicken, dass ich noch die 150 km nach Salta fahren konnte. Dort habe ich nur einen Billigmantel bekommen, der leider nicht seht stichfest ist. Bei den vielen Dornen der Büsche und Kakteen gibt’s jetzt Platten am laufenden Band. Und zu guter Letzt hat meine Kamera endgültig den Geist aufgegeben. Eigenartigerweise ist die Speicherkarte leer und alle Aufnahmen der letzten vier Wochen sind weg. Mal sehen, ob ich irgendwo einen neuen Foto auftreiben kann.

Gruß Wolfgang


Urlaubsgrüße 6

Meine Radtour ist mittlerweile abgeschlossen, gestern bin ich mit dem Bus nach einer 24-Stunden-Fahrt von San Pedro de Atacama in Santiago angekommen.

Das letzte Mal hatte ich mich aus Tupiza in Südbolivien gemeldet. Am nächsten Tag wollte ich eigentlich frühmorgens in Richtung San Pedro losfahren, doch gerade an diesem Tag musste das Wetter zeigen, dass die Regenzeit noch nicht ganz zu Ende ist. Es goss in Strömen, und die Straßen von Tupiza waren über Nacht zu reißenden Strömen geworden. Also: warten, bis der Regen aufhört, gemütliches Frühstück, Mittagessen... In Tupiza habe ich mir übrigens auch eine gebrauchte Kamera gekauft; es gibt also wieder ein paar Bilder.

Auf der Lipez-Route

Um frühen Nachmittag ließ dann der Regen nach, und gelegentlich zeigte sich dann auch noch die Sonne – das war das Signal zum Losfahren. Tupiza liegt auf knapp 3000 m, von dort geht es dann gleich auf einen 4300 m hohen Pass. Die Piste ist typisch bolivianisch – mit viel Fluchen gerade noch mit dem Rad fahrbar. Zu meinem Pech wurde die Piste gerade instand gesetzt, das heißt über mehrere Kilometer Baustelle, vom Regen aufgeweichter Matsch – mehr als Schieben ging nicht.

Am Nachmittag zwingt mich dann ein heftiges Gewitter mit Hagelschauer nach gerade mal 25 km Fahrt zum fluchtartigen Aufbau des Zelts. Über die ganze Nacht Sturmböen und abwechselnd Schnee, Regen und Hagel – irgendwann geht dann auch noch der Reißverschluss des Innenzelts kaputt; das Außenzelt konnte ich ja schon länger nicht mehr schließen. Auch in den nächsten Tagen ist Radfahren witterungsbedingt nur noch für ein paar Stunden am Tag möglich. Erst am Morgen des vierten Tages wecken mich dann endlich Sonnenstrahlen und das Wetter wird für den Rest der Tour deutlich besser. Für die Strecke von Tupiza nach San Pablo de Lipez hatte ich eigentlich mit drei Tagen gerechnet, komme aber durch die Verzögerungen erst am vierten Tag nachmittags an.

Nach einer kalten Nacht

San Pablo bietet nicht viel – einen kleinen Laden, der kaum mehr als Kekse und Cola im Angebot hat. Ich nutze daher die verbleibenden Stunden Tageslicht (gegen 7 Uhr wird es hell und um 18.30 Uhr ist es schon dunkel) und fahre noch ein paar Kilometer durch ein wunderschönes Flusstal. Am nächsten Morgen schalte ich das GPS ein und stelle fest, dass ich schon vor mehr als 15 km (15 km sind auf diesen Pisten zwei Stunden Fahrt) rechts abbiegen hätte müssen - also wieder zurück.

San Pablo de Lipez

Wieder gegen Nachmittag erreiche ich den nächsten Ort, San Antonio de Lipez. So fremd wie dort habe ich mich bisher auf meinen Reisen noch nirgends gefühlt. Ich merke so richtig, dass mich die Leute für einen Spinner aus einer anderen Welt halten – ist auch irgendwie verständlich, die Leute dort müssen jeden Tag hart schuften, um unter schweren Bedingungen zu überleben, und da kommt einer mit dem Radl und fährt ohne Sinn auf 4500 bis 5000 m spazieren.

Das alte San Antonio befand sich ursprünglich auf über 4700 m. Nachdem ein Erdbeben den Ort zerstört hatte, wurde er 500 m tiefer neu errichtet. Ich fahre also noch ein Stück weiter zu den Ruinen des alten San Antonio und stelle dort das Zelt für die Nacht auf. Eine stachelige Pflanze (was auf dieser Höhe wächst, hat meistens Stacheln) am Zeltplatz muss ich übersehen haben. Auf jeden Fall ist seit jener Nacht meine Isomatte undicht; ein paar kleine Löcher konnte ich finden, aber nicht alle. Eine aufblasbare Isomatte mit Löchern isoliert leider nicht mehr gegen die Bodenkälte – bei minus 10 bis 20 Grad und wenn der Wind dann noch durch das nicht mehr verschließbare Zelt pfeift, wird es nicht mal mehr im besten Schlafsack gemütlich warm. In den folgenden Nächten habe ich auf jeden Fall ziemlich gefroren.

Das alte San Antonio

Am nächsten Tag ging es dann nach viel Auf und Ab über einen 4900 m hohen Pass zur Laguna Morion. Ab San Antonio war die Piste auch für bolivianische Verhältnisse in sehr schlechtem Zustand, Fahren war praktisch nicht mehr möglich – ich musste nicht nur bergauf, sondern auch über weite Strecken auch noch bergab schieben. Nach einem weiteren Tag erreiche ich den Ort Quetena Chico; dort gib es ein paar einfache Hostales und Läden.

Eigentlich hatte ich vor, von Quetena Chico aus zur äußerst abgelegenen Laguna Celeste zu fahren und dort zu wandern. Auch ein Gipfelsturm auf den Uturuncu (6010 m) war geplant, da an diesem Berg eine Straße bis hinauf zu einer stillgelegten Schwefelmine auf 5800 m mit dem Rad befahrbar ist. Die kalten Nächte in meiner lädierten Ausrüstung nehmen mir jedoch die Lust auf solche Abenteuer, und ich beschließe, auf direktem Weg nach San Pedro de Atacama zu fahren.

Lagunen mit Flamingos

Auf wunderschöner Route über die Lagunas Hedionda und Kollpa sowie den Salar de Chalviri komme ich dann endlich nach neun Tagen Wüste in San Pedro an. Der ganze Ort besteht aus Hotels, Restaurants, Souvenirläden und Agenturen für Abenteuertourismus. Noch vor der Dusche (ich muss wie einen Herde Lamas gerochen haben) gehe ich hungrig und durstig in ein Restaurant und bestelle ein viergängiges Menü und ein großes Bier.

Die letzten Tage bis zum Rückflug verbringe ich jetzt als normaler Tourist in Santiago und in Valparaíso mit Bummeln und Museumsbesuchen. Ich werde gut essen und trinken, damit die abgeradelten Kilos wieder nachwachsen. Am Samstag geht dann der Flieger zurück nach Deutschland – ich hoffe dann auf einen nahtlosen Übergang vom schönen südamerikanischen Herbst in einen warmen europäischen Frühling.

Gruß Wolfgang

Lipez-Route (GPS-Kordinaten und Routenbeschreibung)

 

Koordinaten

Ort/Wegbeschreibung/Anmerkung

Süd

West

 

 

 

 

1

21,4244

65,7328

Nach links abzweigen, der Piste in das Bachbett folgen

2

21,4375

65,8843

Pass (4370m)

3

21,4473

65,9157

Nazarezito (kleiner Ort), Kiosk, Wasser

4

21,4357

65,9644

Abzweig, links abbiegen

5

21,4474

66,0910

Abzweig zur Mina Unifinda, nach links weiter fahren

6

21,4205

66,1228

Kreuzung, links fahren

7

21,4194

66,1497

Abzweig, links fahren (schlechte Piste)

8

21,4347

66,2846

Kreuzung mit Wegweiser, gerade weiter fahren

9

21,4302

66,2929

Kreuzung mit Wegweiser, gerade weiter fahren

10

21,4287

66,3150

Abzweig, rechts fahren

11

21,4328

66,3751

Abzweig, links fahren

12

21,4321

66,3861

Abzweig (Mündung in Hauptpiste), links fahren

13

21,4655

66,4446

Abzweig, links fahren

14

21,5853

66,4358

Abzweig, rechts fahren

15

21,6029

66,5489

Pass (4760m)

16

21,6902

66,6283

Ausfahrt San Pablo, Ort Richtung Westen verlassen

17

21,7017

66,6715

Abzweig, links fahren

18

21,7052

66,7124

Abzweig, rechts fahren

19

21,6898

66,7886

Einmündung, gerade weiter fahren

20

21,7828

66,8753

Ausfahrt San Antonio

21

22,0085

67,0855

Laguna Morijon*

22

22,0453

67,1042

Gefasste Quelle, ca. 1km westlich der Laguna Morijon

23

22,0920

67,1796

Abzweig, Hauptpiste nach rechts fahren

24

22,1024

67,2503

Abzweig, rechts fahren

25

22,1048

67,2545

Abzweig zur Laguna Celeste (markiert)

26

      22,2322

      67,3573

Quetena Chico*

27

22,4857

67,4658

Abzweig, links fahren (Ausschilderung Hito Cayon = Grenzübergang nach Chile)

*      Koordinaten mit Google Earth ermittelt – auf der Tour nicht überprüft – für Navigation nicht unbedingt erforderlich

Dauer/Fahrzeit:

Der Fahrzeit hängt natürlich von den Witterungsbedingungen und den Streckenverhält­nissen ab. Im März/April 2008 benötigte ich 9 1/2 Tage. Die Teilstrecke Tupiza – San Pablo müsste in 3 Tagen gut machbar sein – ich habe 4 Tage benötigt, wegen schlechten Wetters bin ich mehrere Male morgens spät los und habe auch öfters schon am frühen Nachmittag das Zelt aufgestellt. San Pablo – San Antonio ist eine kurze Tagesetappe. Von San Antonio nach Quetena Chico war ich 2 Tage und bis San Pedro nochmals 2 1/2 Tage unterwegs.

Streckenverhältnisse/Orientierung:

Zwischen Tupiza und San Pablo ist das Gelände recht unübersichtlich und der Weg ist nicht immer einfach zu finden. Der Zustand der Piste war recht wechselhaft und unterschiedlich – halt typisch bolivianisch. Ab San Pablo ist die Navigation dann ziemlich unproblematisch. Hinter San Antonio war im März/April 2008 die Piste aufgrund von Schäden durch die Regenzeit (Ausspülungen, tiefe Reifenspuren durch schwere Fahrzeuge) bis zur Laguna Morijon fast unbefahrbar. Ab der Laguna Morijon wurde die Piste dann wieder „wechselhaft bolivianisch“.

Versorgungsmöglichkeiten:

Läden/Kioske mit eher begrenzten Versorgungsmöglichkeiten gibt es in Nazarezito, San Pablo und San Antonio. Die beste Infrastruktur bietet Quetena Chico mit mehreren Läden und Unterkünften.

In Nazarezito und in Quetena Chico empfiehlt es sich, einen Wasservorrat für 2-3 Tage aufzufüllen. Zwischen San Pablo und Quetena Chico stellt die Wasserver­sorgung kein Problem dar, es gibt mindestens einmal am Tag einen klaren Bach oder eine Quelle.

Übrigens: In San Pablo de Lipez ist der Mannheimer Padre Claus Braun mit einem Entwicklungshilfeprojekt tätig. Seine Berichte auf www.pater-claus-braun.de sind sehr interessant, genauso die Bilder!

Apropos Puna: Hier geht's zur Streckenbeschreibung des Paso Socompa von Christian Dupraz und Julius Grossmann. Und den Vulkan Uturuncu hat Julius Grossmann mittlerweile von Quetena Chico aus per Rad auf einer Tagestour erreicht, siehe hier. Julius fuhr dabei auch partiell die Lipez-Route, hier der Link zu seinem GPS-Track: http://www.gps-tour.info/de/touren/detail.24723.html.


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