www.bikeamerica.de - Reisebericht über unsere Panamericana-Tour 7

Zigarren, Rum und stolze Preise

Grenzwertige Erfahrungen auf Cuba

Am 29. Oktober 1492 sah Christoph Columbus zum ersten Mal Cuba. Er landete an der Nordküste; die eingeborenen Taíno-Indianer hatten ihn längst erspäht und begleiteten sein Schiff "Santa Maria" mit ihren schnellen Kanus in eine geschützte Bucht. Die Spanier wurden freundlich empfangen - die Taínos bereiteten ein Festessen zu namens Barbecue, rauchten durch ein gespaltenes Rohr Cohiba (das lokale Wort für Tabak) und spielten zu Ehren der Neuankömmlinge eine Runde Batos, Vorläufer des späteren Welterfolgs Baseball. Und sie warnten Columbus vor einem Sturm namens Hurrican und ließen ihn erst weiterziehen, als dieselbiger vorüber war. Auch zeigten sie den Spaniern die vielfältigen Schönheiten ihres Landes. Columbus prägte später für Cuba den Begriff "Insel der Schönheit" und kam noch zweimal wieder.

Columbus' Schiffe vor Cuba Christoph Columbus

Gut 500 Jahre später: Eine Boeing 737 der Copa Air im Landeanflug auf Havanna. Es ist 23.00 Uhr abends, an Bord sind die Schröders, und die sehen - nichts. Nur ein paar trübe Funzeln erhellen die Landeshauptstadt; einer der zahlreichen Stromausfälle, wie wir später hören. Ist schon frappierend, ein solcher Anblick aus der Luft, vor allem, wenn man kurz vorher noch über die hell erleuchteten Cayman-Inseln geflogen ist. Auch von Landebahn-Befeuerung ist nicht viel zu sehen; wahrscheinlich stehen drunten ein paar Cubaner auf dem Rollfeld und ziehen im Blink-Rhytmus an ihren Cohibas, um den Flieger einzuweisen. Ein harter Ruck, Schubumkehr, Bremsen quietschen, und wir sind angekommen.

Nach langem Marsch durch verwinkelte, notdürftig erleuchtete Gänge erreichen wir die Migración. Dort ist endloses Anstehen angesagt, wie weiland im real existierenden Sozialismus für ein Pfund Kaffee. Immerhin - blinkelblink, Neongewitter, plötzlich gibt es wieder Licht. Und die Beamten sind wirklich sehr freundlich. Sie wollen alles wissen, über unser Projekt bikeamerica, woher, wohin, warum in Cuba, was in Deutschland gerade für ein Wetter sei, halben Meter Schnee, hätten sie gehört, und was wir zu Hause für ein Auto fahren. Eins ist schon klar, und eigentlich auch ganz erfreulich: Auf Cuba gehen die Uhren anders - man hat noch Zeit.

Ja, und dann warten wir doch tatsächlich noch zwei geschlagene Stunden auf unsere Fahrräder. Längst ist das gesamte Gepäck vom Band, der Oversize-Luggage-Schalter verrammelt. Keiner weiß, wo die Bikes abgeblieben sind. Bald bemühen wir fünf Personen, die Lost-Luggage-Lady, zwei uniformierte Zollbeamte und zwei Zigarren qualmende selbsternannte Helfershelfer. Sind die Räder in Havanna oder nicht? Da rotiert das Nervensystem, Anchorage / Alaska vor ein paar Jahren ist noch in lebhafter Erinnerung. Doch dann, die erlösende Nachricht: Unsere fahrbaren Untersätze sind ins andere Terminal geschafft worden, zum Durchleuchten. Nur dort haben sie ein genügend großes Durchleuchtungsgerät, das geht nur mit Strom und den gibt es erst seit Kurzem wieder. Das hatten wir bislang auch noch nie - normalerweise durchleuchtet man doch das Fluggepäck beim Abflug, nicht bei der Ankunft? Ob die Cubaner denken, wir wollen eine Bombe einschmuggeln? Immerhin, morgens um zwei können wir endlich recht geplättet den "Aeropuerto José Martí" verlassen. Wir heuern einen Taíno an mit seinem schnellen Kanu, pardon, einen Mulatten mit seinem Toyota-Kleinbus, und der bringt uns in unser vorgebuchtes Hotel. Noch ein kurzer Spaziergang, am Malecón entlang, wo ein angenehmer Wind weht und selbst zu so später Stunde noch eine Menge Angler und Flaneure zugange sind, und dann können wir endlich todmüde in unsere durchgelegenen Betten sinken. Uff, wenigstens ist unser ganzes Geraffel da! Das erste spannende Cuba-Erlebnis liegt hinter uns - es sollte nicht das einzige bleiben. Und dann schlafen wir wie die Steine.

Am nächsten Morgen lassen wir uns unsere Fahrrad-Kartons aus dem Depositorio bringen, einem stickigen Räumchen hinter der Küche, und beginnen draußen unter den luftigen Arkaden mit dem Zusammenbau. Wie fast immer sind die Kartons sehr zerknorkelt und teilweise zerfetzt, wahrscheinlich haben sie im Gepäckraum des Fliegers ganz unten gelegen. Mein Tacho-Halter ist kaputt, wie sich herausstellt, die Lenkergriffe sind eingerissen, beide Ledersättel verkratzt und Sybilles Lampe fehlt. Ehrlich, es ist eine Unverschämtheit, wie sie bei nahezu allen Airlines mit Fahrrädern (und allem anderen nicht genormten Sperrgepäck) umgehen - da zahlt man 40 US$ Transport pro Rad, und jede Reklamation bei Schäden ist so gut wie immer zwecklos und vergeudete Zeit. "Weisen Sie erst mal nach, dass dieser Schaden von uns stammt; das Rad ist nicht neu und hat deutliche Gebrauchsspuren" - so oder so ähnlich wurde uns schon x-mal beschieden. Wir schlucken also unseren Ärger hinunter; in einer nahen Hinterhofwerkstatt haben sie einen Kompressor zum Reifen Aufpumpen, und immerhin dreht sich bei der ersten Probefahrt alles. Nur, wenn ich so hinter Sybille dreinfahre, wirkt ihr Rad mehrwürdigerweise leicht versetzt, als sei der Rahmen verdrillt. Aber, wie gesagt, alles fest und läuft; vielleicht bilde ich es mir auch nur ein. Dann begeben wir uns auf unsere erste kleine Cuba-Radtour, zur Erkundung von Downtown Havanna.

"Geheimnisvoll, mysteriös und nostalgisch liegt die Stadt Havanna mit ihren fast drei Millionen Einwohnern eingebettet in eine große Bucht an Cubas Nordküste. Ihr Name beschwört unwillkürlich den Duft schwerer Zigarren, das weiche Aroma gereiften Rums und die mitreißenden Klänge von Tango und Salsa herauf. Dereinst Mittelpunkt der Neuen Welt, ist Havanna heute eine geruhsame und recht stille Stadt, die mit Stolz auf eine Geschichte von 500 Jahren zurückblickt. In keiner anderen Stadt wetteifert koloniale Pracht so unmittelbar mit neoklassizistischen Monumenten und ebenso vornehmen wie heruntergekommenen Villen. Wegen Ölknappheit fehlt der Lärm intensiven Straßenverkehrs..."

Oldtimer überall

So steht es in unserem (schon etwas älteren) Reiseführer - wir hätten es nicht besser formulieren können. Nur, der Verkehr ist wider Erwarten doch recht stark, als wir so den breiten Malecón entlang pedalen, und wie in unseren klischeehaften früheren Vorstellungen ist tatsächlich wenigstens jedes dritte Auto ein alter Amischlitten, manche recht heruntergekommen und mit russischem Austausch-Diesel, andere sehr schön gerichtet, Metalliclack, poliertes Chrom, elektrische Fensterheber. Dazu gibt es Ladas, Japaner, neue kleine Peugeots und sogar ein paar Daimler aller Altersstufen - und eine Unmasse stinkender Zweitakt-Motorräder Marke MZ und Jawa. Und es gibt - Fahrradstreifen! Ganze abgetrennte Fahrbahnspuren sind dem Radverkehr vorbehalten - das haben wir auch in noch keiner lateinamerikanischen Stadt erlebt! Wir sind echt entzückt und pedalieren entspannt dahin, unter Legionen chinesischer Uralt-Räder Marke "Fliegende Taube", Fernost-Billig-MTBs und fetzigen Fahrrad-Taxis. Viele bimmeln fröhlich, winken, alle scheinen in dieser Stadt gut drauf zu sein und sich zu freuen, dass wir uns als Touris mit unseren Rädern unters Volk mischen. Also, ganz so übel scheint Havanna nicht zu sein! Selbst die tropische Hitze ist hier gut erträglich; die unheimlich angenehmen Passatwinde sorgen dafür.

Bald kommt das monumentale Hotel "Nacional" in Sicht, eines der markantesten Gebäude Havannas. Marlon Brando und Winston Churchill haben hier übernachtet, und Graham Greene ließ in seinem Roman "Unser Mann in Havanna" den Protagonisten Wormold in der Hotelbar in Erscheinung treten. Der spielte dort Dame gegen den Geheimdienstchef - mit Mini-Whiskyfläschchen, Scotch gegen Bourbon, jedes übersprungene Fläschchen war sofort auszutrinken. Ehrlich, das passt exakt zu unserem ersten Cuba-Bild: Auf der Suche nach Früchten, Sprudel und Orangensaft müssen wir ca. zehn Läden abklappern - aber an jeder Ecke gibt es Rum ("Havanna Club") in Riesenflaschen und Unmengen an Zigarren. Und vor den alten Häusern und auf der Mauer am Malecón sitzen die Cubaner und trinken "Havanna Club" aus Wassergläsern.

Hotel "Nacional"

Das "Nacional" gehörte übrigens früher dem berüchtigten Mafioso Meyer-Lansky. Casinos, Drogen und Prostitution waren die Grundlage des Vermögens, das die Mafia auf Cuba scheffelte. In den 30er-Jahren fasste sie den Entschluss, Cuba zu einem Glücksspielzentrum auszubauen. Bei einem Treffen im "Nacional" wurden dem Diktator Batista für die Übertragung der exklusiven Spielrechte 5 Mio. US$ jährlich garantiert. Batista hielt sich mit amerikanischer Rückendeckung 25 Jahre an der Macht. Er ließ das Land in jeder Hinsicht ausbluten, eine Handvoll Menschen besaß praktisch ganz Cuba, viele Cubaner litten Hunger und hatten nur eine geringe Lebenserwartung, Schule kostete Geld, die Analphabetenrate war dementsprechend hoch und die Wut auf die Unterdrücker groß. Kein Wunder, dass Fidel Castro, Che Guevara und die übrigen bärtigen Revoluzzer 1958 leichtes Spiel hatten, die Cubaner hinter sich zu bringen. Man kann von Fidel Castro halten, was man will: Auf jeden Fall hat er sich im Gegensatz zu vielen anderen sozialistischen Regierungschefs nie selbst bereichert; die Cubaner sind heute eines der gebildetsten, gesündesten und besternährten Völker Lateinamerikas. Und das trotz US-Handelsembargo - Uncle Sam fängt ja heute noch mit jedem Krach an, der den Cubanern auch nur eine Schraube oder einen Liter Sprit liefert. Venceremos! Wie gut Cuba trotz dieser Schwierigkeiten heute dasteht, das verdient volle Bewunderung.

Nicht ganz so eine glückliche Hand hatte Castro in der Vergabe seiner Bauaufträge. Regierungsämter, Präsidentensitz, das Gebäude des Zentralkomitees der kommunistischen Partei undsoweiter an der riesigen Plaza de la Revolución erinnern doch sehr an osteuropäische Plattenbauten, unter den Augen eines gewaltigen Che-Guevara-Wandbilds. Am 1. Januar hält Fidel hier immer seine berühmte Ansprache, bei der sich bis zu zwei Millionen Menschen einfinden. Fast apokalyptisch menschenleer ist der Platz heute, bis auf zwei einzelne Radler aus Alemania. Und die treten jetzt zügig in die Pedale, Richtung "Habana Vieja", der Altstadt.

Hier sind wir jetzt wirklich in dem Havanna, das der Reiseführer so stimmungsvoll beschwor. Kaum ein modernes Haus ist zu sehen, das ganze Ensemble ist als Welt-Kulturerbe der UNESCO eingetragen. Doch nur wenige der prächtigen alten Bürgerhäuser sind renoviert, bei den restlichen können selbst die UNESCO-Gelder höchstens den totalen Verfall verhindern: Abgebröselte Stuckverzierungen, Bretter statt Fensterglas, Wellblech auf den Dächern, abgestützte Außenwände, Wasser-Tankwagen am Straßenrand, weil das marode Leitungsnetz schon längst nicht mehr funktioniert - und in vielen der ruinösen Wohnungen leben mehrere Familien zusammen. Durch die stets offenen Türen blicken wir in schimmelgraue Hausflure, die nur noch durch Holzverstrebungen am Einsturz gehindert werden, in Friseursalons, Apotheken, Läden und Werkstätten, die wohl vor 100 Jahren schon exakt gleich ausgesehen haben. Wir umkurven mit unseren Rädern badewannengroße Schlaglöcher, aufgebockte Oldtimer ohne Reifen und Schutthaufen.

Straßenszene Alt-Havanna

Dazwischen spielen die Kids Baseball (ob wohl deshalb so viele Fenster fehlen?), die älteren sitzen mit zerfurchter Stirn bei einer schwierigen Dominopartie, nie fehlt die Rumflasche, selten die Zigarre. Mitten auf der Straße wird eine Sau ausgebeint, daneben eine MZ in ihre Einzelteile zerlegt, und unter der geöffneten Motorhaube eines Buick Special diskutieren sie, was das wohl für ein G'lumpp sei - Kupplung defekt nach grade 50 Jahren, unglaublich. Tolle Musikrhythmen tönen aus den leeren Fensterhöhlen, und alle, wirklich alle wirken karibisch relaxed und fröhlich. Interessant auch der auf Cuba heimische Menschenschlag, eben die Mulatten: Das sind die Nachkömmlinge der spanischen Conquistadores und der einst zahlreich eingeschleppten afrikanischen Sklaven, das indigene Element fehlt völlig. Längst sind die friedfertigen Taínos, Siboneys, Guanahatebey und wie sie sonst noch hießen ausgerottet, erschossen, als Sklaven in den Zuckerrohrfeldern verheizt - ein Schicksal, das sie mit nicht wenigen Indianerstämmen Gesamtamerikas teilen.

Zwischen den alten Wohnhäusern gibt es auch eine ganze Menge ansprechender Kneipen. Wir kommen am "Bodeguita del Medio" vorbei, früher eine von Ernest Hemingways Stammkneipen. Von Hemingway, der mehr als 20 Jahre auf Cuba lebte, stammt neben dem "Alten Mann und das Meer" auch der Spruch: "Meinen Mohito im Bodeguita und meinen Daiquiri im Floridita". Gar nicht so leicht, es ihm gleichzutun! Für beide Etablissements muss man mehrere Tage vorab reservieren. Von außen durchs Fenster blicken wir auf drangvolle, fröhliche Enge; der Posaunist der Band kann kaum sein Instrument bedienen, ohne jemand zu verletzen, und der Kellner muss das Tablett über dem Kopf tragen. Wir nehmen deshalb unseren Mohito auf dem Platz vor der Kathedrale in einem luftigen Straßencafé ein: Der Saft einer Limone, Zucker, ein Zweig Minze, Eis und kräftig weißen Rum darüber. 1,50 Euro p / pax. Mann, das haut in die Birne! Schmeckt aber recht süffig - und ist gleichzeitig das einzige einigermaßen preiswerte Konsumgut in Havanna.

Unglaublich, wie teuer Cuba ist! Eine Flasche Sprudel und ein Liter Orangensaft kosten im Supermarkt locker 3 Euro, ein Bier in der Kneipe 2 Euro, auch das Mittags-Sandwich ist echt an der lateinamerikanischen Preis-Obergrenze angesiedelt. 50 Euro nehmen sie für unser recht einfaches Zimmer im Hotel "Deauville" pro Nacht, und wenn man den Zimmersafe benützen will, werden nochmal 2 Euro pro Nacht fällig. In der Zigarrenfabrik Partagas hinter dem Capitol wollen sie für die Betriebsbesichtigung glatt 20 Euro pro Nase, das Ganze ohne Fotografiererlaubnis. Wir verzichten dankend. Immerhin, überall spielt fetzige Musik und versüßt dem Touri den drohenden Kollaps seines Bankkontos. Dann, das Abendessen. Ein Fischfilet mit Salat, ein kleiner Fleischspieß mit Gemüse, Brot und zwei Bier - 40 Euro! Damit zeichnet sich schon jetzt ab, dass ausgerechnet Cuba das absolut teuerste Land unserer ganzen Panamericana-Tour ist, noch vor Canada, Panama und Chile. Wir werden in jeder Hinsicht den Gürtel enger schnallen müssen.

Touristenwährung ist übrigens der Convertible Peso (CP), entsprechend 0,80 Euro oder 1,10 US$. Hotels, Touristenkneipen und die staatlichen "Panamericana"-Läden nehmen nichts anderes. Die Cubaner hingegen haben den Cubanischen Peso (CUP) - 25 davon entsprechen einem CP. Damit kann man in rein cubanisch-untouristischen Einrichtungen zahlen, beim Bäcker, am Obststand auf der Straße. Wir sind bestimmt nicht geizig, aber man kriegt schon einen dicken Hals, wenn sie für fünf Bananen einen CP abzuzocken versuchen; der Cubaner daneben zahlt drei CUP. Nur wenige Händler sind ehrlich (zumindest in Havanna und in den Ferienzentren) und geben auch dem Touri korrekt heraus. Auf den CP ist jeder scharf; damit kann er in den "Panamericana"-Läden wichtige Dinge kaufen, die man sonst nicht kriegt: Autoreifen, Stereoanlagen, Fahrrad-Ersatzteile, Kosmetika, brasilianischen Schinken, Suppenpulver (von Maggi!) und - Kühne-Salatfix-Thousand-Island-Dressing! Wir setzen uns fast hin, als wir das sehen! Dabei gibt es fast auf ganz Cuba keinen Blattsalat, nur Zwiebeln, Tomaten, Kraut und Möhren. Schon seltsam, was diese Scheiß Währungs-Parallelwirtschaft für Blüten treibt.

Überall fetzige Musik

Für den nächsten Morgen haben wir einen Mietwagen bestellt. Wir müssen die Fahrradkartons nach Varadero bringen (von dort geht zum Ende dieser Etappe mal wieder der Flieger nach Hause), dazu einige nicht benötigte Ausrüstungsteile, Zelt, Kocher, Wintersachen. Früh finden wir uns im Büro von Havanauto ein, eine Menge Papierkram ist fällig, wie immer, Versicherung, und dann: Wir sollen den Sprit bezahlen, der im Tank ist! Wir fragen, was das soll, denn wir bringen ihn doch voll zurück? "Nein," sagt der Vermiet-Fuzzy und grinst, "so geht das nicht auf Cuba - ist zwar ein blödes Gesetz, aber der Sprit wird generell vorher bezahlt, und dann wird das Auto mit leerem Tank abgegeben." Ja, und wenn wir nicht alles verbrauchen? "Huahaha, then you have to drink it!" Der Vermieter lacht sich halb tot über unsere Bedenken, da müssen wir auch lachen - also, locker ist's in Cuba auf jeden Fall! Na, das ist ja auch was. Seine Kollegin Daisy meint dann freudestrahlend, in dieser Jahreszeit sei das Wetter besonders angenehm, das Meer so schön blau und unser Auto habe sogar eine Zentralverriegelung. Dann schenkt sie uns nonchalant einen Kalender vom Vorjahr und wir sind in das cubanische Verkehrswesen entlassen. Tja, geriebene Hunde, diese Typen! Kaum ein Touri traut sich wohl, auf dem letzten Tropfen Sprit wieder ins Verkehrsgewühl von Havanna einzutauchen, und so können sie in der Regel eine Viertels Tankfüllung oder so zweimal verkaufen.

Unser Auto, ein netter Peugeot 207, läuft dafür sehr schön. Gleich finden wir die richtige Straße nach Osten und Richtung Varadero, eine etwas holperige Autobahn, die an die US-amerikanischen Fernstraßen der 50er-Jahre erinnert. Je weiter wir von Havanna wegkommen, desto spärlicher wird der Verkehr, nur noch vereinzelte Radler und Eselskarren sind unterwegs. Wir sehen auch kaum Dörfer, fast keine Tankstellen und sonstige Versorgungseinrichtungen - dafür jede Menge Tramper am Straßenrand, die enthusiastisch mit den Armen rudern und mit Geldscheinen wedeln. Auf Cuba gibt es kaum Linienbusse, und die wenigen sind brechend voll. Einige davon, die so genannten Camellos, die "Kamelbusse", sind Sattelschlepper mit umgebauten Aufliegern, die über 200 Personen Platz bieten, 300, wenn es sein muss - dann quellen die Pasajeros aber fast aus den Fenstern. An jeder Haltestelle stehen Platzanweiser mit umfangreichen Listen. Wahrscheinlich muss man lange vor seiner geplanten Busfahrt einen Antrag mit drei Durchschlägen stellen.

Gegen Mittag treffen wir in Varadero ein, finden gleich das Hotel "Mar del Sur", deponieren Kartons und Gepäck und machen uns an die Rückfahrt. Kurz schauen wir noch auf Hemingways Finca in San Francisco de Paula vorbei, Sprit haben wir ja noch, und drehen dann noch eine Ehrenrunde auf dem Autobahnring um Havanna. Mit schon lange brennender "Low Fuel"-Lampe rollen wir die Avenida 23 entlang, noch eine Runde um den Häuserblock, dann schaffen wir es gerade noch mit schon stotterndem Motor in die Parklücke vor dem Hotel. "Bring it back empty!" Huahaha, ja, sowas nehmen wir genau! Unseren Sprit verkauft der Vermieter nicht zweimal; morgen kann er zur Tankstelle schieben. Für wie blöd halten die die Touristen eigentlich? Dann gehen wir gut, wenngleich teuer essen, sinken entspannt ins Bett und schlafen den Schlaf der Gerechten.

Kamelbus

Ein Tag Havanna steht noch an. Wir freuen uns schon wieder auf eine kleine Radelrunde, holen die Bikes aus dem Verschlag hinter der Küche - was muss ich sehen? Da fehlt doch glatt mein Leuchtdioden-Rücklicht, sauber abgeschraubt vom langfingrigen Hotelpersonal. Gleich beschweren wir uns bei der Reception. Dort will natürlich keiner die Verantwortung übernehmen, obwohl das Sicherheitspersonal darauf bestanden hat, dass wir ausgerechnet dort und nirgends anders unsere Räder parken. Da drohen wir damit, 20 CP von der Hotelrechnung abzuziehen. Das stinkt denen erst recht - eigentlich muss man das Hotel vorher bezahlen. Da hatten wir uns aber geweigert, weil die VISA-Buchungsmaschine nicht funktionierte, und dann haben sie's verpennt. Die Receptionistin schäumt, der Manager dito. Zähneknirschend kriegen wir dann 10% Rabatt auf unsere vier Hotelnächte zugebilligt, kommt also fast genau hin. Und nachmittags, nach unserer Radtour, nehmen wir die Bikes trotz allgemeinem Verbot mit in unser Zimmer. Der Sicherheitstyp ist gerade abgelenkt, ruckzuck sind die Drahtesel hochkant im Aufzug, die Tür geht zu, dann deponieren wir sie im geräumigen Kleiderschrank der Habitación 306. Man muss diese schnoddrigen Brüder hier in Havanna auf die gleiche Weise nehmen, wie sie es den Touris gegenüber versuchen, das haben wir in den letzten Tagen begriffen. Übrigens war das, wie sich später herausstellte, der einzige Diebstahl, der uns zwischen Alaska und Feuerland widerfuhr - ausgerechnet in Cuba! Aber Fidel kann nix dafür; dieser Saftladen hier gehört einer spanischen Hotelkette.

Kein Mensch im Hotel "Deauville" spricht auch nur noch ein Wort mit uns, als wir uns am nächsten Morgen unter den Arcaden auf unsere bepackten Räder schwingen. Dafür läuft uns der Autovermiet-Fuzzy nochmal über den Weg - er kocht so, dass fast seine Frisur Feuer fängt. Wir kichern in uns hinein, treten in die Pedale und verlassen Havanna, reicher an Erfahrung, dafür ärmer an Beleuchtungskörpern, aber nicht ohne eine verhaltenes Triumphgefühl.

Ciao Havanna!

Bald sind wir wieder auf der leeren Autobahn, diesmal in westlicher Richtung. Ein angenehmer Rückenwind erfreut das Herz; wir kommen gut voran. Ringsum wird Landwirtschaft betrieben, rechts zieht sich die Sierra del Rosario dahin, ein hübscher Anblick. Und am frühen Abend sind wir in Pinar del Rio.

Sicher lässt kein einziger Cuba-Tourist die Provinz Pinar del Rio aus. Sie gilt als eine der schönsten Ecken des Landes - und hier wächst der beste Tabak der Welt. Das gleichnamige Städtchen ist absolutes Zentrum der cubanischen Zigarrenproduktion. Zwar riechen Zigarren für uns nicht viel anders als ein Waldbrand, aber der Herstellung dieses nationalen Kulturguts hätten wir jetzt schon sehr gerne mal beigewohnt. So suchen wir mal gleich die örtliche Tabakfabrik auf - 5 Euro p/pax, wieder ohne Fotografiererlaubnis. Wir winken also wieder dankend ab. Doch immerhin sitzt auch ein Zigarrendreher im noblen Tabakladen gegenüber. Den knipsen wir jetzt ungefragt, weiß der Geier, wieviel das sonst wieder kosten soll. Dazu knipsen wir die ganzen schönen Zigarren, die nett hindrapiert mit hübscher Bauchbinde in ihren Holzkistchen liegen und auf Käufer warten. Und mit der Bemerkung, dass wir fanatische Nichtraucher sind, suchen wir dann umgehend durch die Ladentür das Weite.

Die Weiterfahrt nach Viñales führt durch wahrhaft wunderschöne Landschaften. Überall erstrecken sich Tabakfelder; die grünen, etwa einen Meter hohen Pflanzen sehen sehr gesund aus und bieten einen ansprechenden Kontrast zu der fruchtbaren roten Erde, für die das Tal von Viñales berühmt ist. In strohgedeckten Hütten sieht man die abgeernteten Blätter zum Trocknen hängen.

Tabakfeld bei Viñales

Bald sehen wir auch die ersten Mogotes, skurrile Karsthügel wie in Guilin / China oder in Thailand. Und auch das Städtchen Viñales gefällt uns gleich mit seinen pinienbestandenen Straßen und den kleinen, hübschen Häusern. Hier wollen wir mal in einem "Casa Particular" übernachten, einem Privathaus, das Zimmer vermietet. Eine Adresse haben wir uns in Havanna geben lassen.

Es ist gar nicht so leicht, im schilderarmen Cuba eine bestimmte Straße und eine Privatadresse zu finden. Als wir nach ausführlicher Ortsrundfahrt und unzähligen Fragen bei der hier ansässigen Bevölkerung schließlich erfolgreich sind, stehen wir vor einer Art Mietskaserne, die nicht sonderlich einladend wirkt. Immerhin hängt am Balkon im 1. OG links ein kleines Schild mit der Aufschrift "Villa Flora". Wir sind uns nicht so recht sicher, ob wir hier wirklich die Nacht verbringen wollen - aber Flora und ihr Mann Bartolo erwarten uns schon vor der Tür, da kann man schlecht wieder weglaufen. So steigen wir über abgewetzte Terazzo-Stufen in den ersten Stock hinauf, Bartolo öffnet eine knarrende Holztür, die wieder mal gestrichen gehört hätte - und dann sind wir angenehm überrascht.

Innen ist die Wohnung zwar einfach, aber sehr nett, und picobello sauber. Es gibt eine gut ausgestattete Küche, eine Essecke mit aus Baustahl selbstgeschweißten Stühlen, einen hübschen Balkon, ein Korbsofa und einen Geschirrschrank, einen künstlichen Blumenstrauß auf dem Fernseher, einen großen Deckenventilator und ein Bild von der Jungfrau Maria. Wir kriegen ein spärlich, aber durchaus praktisch möbiliertes Zimmer: Es enthält zwei Betten im Krankenhaus-Design (mit erstklassigen Matratzen), einen Blechnachttisch, zwei Kleiderhaken an der Tür und einen riesigen Kühlschrank voller Bierflaschen. Und eine nagelneue, sauber geflieste Nasszelle mit guter Dusche, die Bartolo höchstselbst installiert hat. Früher war das das Kinderzimmer, aber die Kids sind groß und aus dem Haus.

Die energische, quirlige Flora und der stille, immer etwas vor sich hin grinsende Bartolo, beide etwa in unserem Alter, sind uns gleich ausgesprochen sympathisch. Flora stellt ein Super Abendessen auf den Tisch, Salatplatte, Reis, Pommes, köstliche schwarze Bohnen, dazu Schweinefleisch in einer absolut genialen Salsa, dann einen Früchteteller und Kaffee. Das ist bisher mit Abstand unser bestes Essen auf Cuba. Und es wird noch ein sehr netter Abend. Eigentlich wollten wir nach dem Essen ins Städtchen, aber es gibt einen totalen Stromausfall. Jeder Haushalt hat für derlei Vorkommnisse, die offensichtlich nicht gerade selten sind, eine große Batterie-Neonlampe parat. Und darunter spielen wir jetzt das cubanische Nationalspiel Domino bis zum Abwinken. Der Sohn schaut noch kurz herein, ein paar Nachbarn; für alle haben Flora und Bartolo ein paar nette Worte, eine richtig herzliche Familienatmosphäre ist das hier - Cuba at it's best.

Bei Flora

Und wir erfahren eine ganze Menge interessanter Dinge: Wer ein "Casa Particular" betreibt, hat jeden Monat 75 Convertibles Steuer zu entrichten, egal ob Kunden kommen oder nicht. 20 CP kostet unsere Übernachtung, jeweils 8 CP unser Abendessen, 1 CP (denselben Preis wie im Laden) nimmt Flora für eine Flasche Cerveza Cristal - das heißt, sie muss pro Monat ihr Zimmer mindestens zwei Nächte vermieten, sonst zahlt sie drauf. Nicht ganz leicht, wenn man quasi in der dritten Reihe wohnt! Cuba ist auch für die Cubaner teuer, vor allem, wenn man Extrawünsche hat. Dafür sind alle medizinischen Leistungen umsonst und es gibt eine Super Grundversorgung. Tatsächlich haben auch alle Cubaner ordentliche Zähne, wirken körperlich fit, haben anständige Klamotten und gute Schuhe - ein Leben in Menschenwürde, und das unterscheidet diese Gesellschaft von der in einigen anderen lateinamerikanischen Ländern doch sehr. Bartolo z.B. hatte vor zwei Jahren eine schwere Operation - seither muss er nicht mehr in dem Restaurant arbeiten, wo er vorher tätig war, er ist praktisch Frührentner und kriegt sein komplettes Gehalt weiter. Auch herrscht ein netter, neidloser Ton unter den Nachbarn, und zwischen den Wohnblocks grunzen Schweinchen, scharren Hühner und wächst der Privatsalat. Es gibt sogar Mülltrennung, vor jeder Wohnanlage ein kleines Revolutionsdenkmal, in unserem Türrahmen gibt es Termiten (oder gab, jedenfalls ist er sehr zerfressen), und um 23.00 Uhr gibt es zur Freude aller endlich wieder Strom. Das Licht geht an, der Ventilator läuft, und es ist eine Lust zu Leben. Das Sympathische an den Cubanern ist, wie sie fröhlich die kleinen Unwägbarkeiten ihres Alltags wegstecken. Später sitzen wir noch ein wenig mit einem Cristal auf dem Balkon, überall draußen wird palavert und gelacht, und gegen Mitternacht fallen wir todmüde in unsere Krankenhausbetten. Ein superschöner Tag war das heute - hier draußen in der Provinz, das ist das wahre Cuba. Wir haben übrigens auch das Gefühl, dass durchaus ein Großteil der Bevölkerung voll hinter Castro steht, auch wenn immer wieder ein paar Bootsladungen Richtung Miami abhauen. "Einer muss den Amis doch Paroli bieten, bevor sie vollends alles einsacken", meint Flora. Diesen Satz haben wir auf Cuba oft gehört.

Erst nach gutem Frühstück und herzlichen Abschied entlässt Flora uns am nächsten Morgen auf die Straße. Das war wirklich ein einmaliges Erlebnis, mal bei einer cubanischen Familie zu wohnen, und dann auch noch bei einer besonders netten! Draußen vor dem Haus satteln wir wieder auf. Dann kriegen wir noch einen Tipp, wo wir in Viñales einen Tabak-Verarbeitungsbetrieb besichtigen können - prima, vielleicht klappt's doch noch mit dem Knipsen! Gleich suchen wir mal die Adresse auf. Flora und Bartolo winken noch hinter uns her, bis wir um die Ecke entschwunden sind.

Bald rollen wir in den Randbezirken des Orts vor einem flachen, fabrikartigen Gebäude aus. Besichtigung? - Warum nicht, und Fotos kein Problem, meint der freundliche Pförtner, der mit seiner dichten Frisur und seinem plissierten Nylonhemd ein bisschen aussieht wie der Leiter eines sowjetischen Traktorkombinats. Er muss nur die Vorarbeiterin fragen, das dauert ein wenig, dann öffnet sich ein breites Holztor, und wir werden eingelassen. Und das ist jetzt endlich der ersehnte Treffer! Drinnen sitzen in einer großen, luftigen Halle mit schulbankartigen Tischen mehr als 100 Frauen unter Fotos der Polit-Prominenz und unter fetzigen Sprüchen von der ewig siegreichen Revolution. Hier werden die Tabakblätter getrocknet, sortiert, fermentiert und (nachdem der Nerv entfernt ist) glattgestrichen, dann verpackt und für die Zigarrenfabriken in Havanna und Pinar del Rio kommissioniert. Das Herstellen des Endprodukts, der Zigarre also, können wir hier zwar auch nicht sehen, trotzdem ist es sehr interessant - vor allem scheint auch ein sehr angenehmes Arbeitsklima zu herrschen. Genauso haben wir uns eine cubanische Tabakfabrik immer vorgestellt.

In der Tabakfabrik

Eine Woche unserer für Cuba eingeplanten Zeit ist jetzt schon um und wie im Flug vergangen, zwei Wochen bleiben noch - wenn man dazu bedenkt, dass wir jetzt fast im äußersten Westen der Insel sind, der Wind aber stets kräftig von Osten bläst und wir nach Zentralcuba wollen, dann schreit das nach einem Zwischentransport. Aber, Kamelbusse, veraltete und überfüllte Eisenbahnen - und unsere Fahrräder? Doch zum Glück gibt es die Touristenbusse "ViAzul" - fast für sofort kriegen wir zwei Tickets nach Cienfuegos, Fahrradtransport sei kein Problem, auch unzerlegt und unverpackt, wie uns gesagt wird. Das lässt sich hören!

"ViAzul" ist tatsächlich eine erstklassige Wahl. In der Busstation werden wir wider Erwarten sehr professionell abgefertigt. Das Gepäck kriegt saubere Tags und wir dürfen die Räder selbst im riesigen Gepäckraum des Busses verladen und festbinden, damit ihnen nichts passiert. Der Bus, ein brasilianischer "Marco Polo", ist fast neu, klimatisiert, bequem und sauber - so lassen wir uns recht relaxed über die Autobahn schaukeln und sind bereits am frühen Abend in Cienfuegos.

Cienfuegos war früher (und ist heute noch) eine richtige kleine Sommerfrische. Rund um eine hübsche Bucht am karibischen Meer erstrecken sich schöne Villen der Jahrhundertwende, darunter das alte Casino, das früher Batistas Bruder gehörte. Es gibt einen hübschen Zentralplatz, das tolle Tomas-Terry-Theater, ein prachtvolles Gebäude mit dreistöckigen Balkonen und Logen aus handbemaltem Pinienholz und mit geschnitzten Mahagoni-Ornamenten. Caruso, Sarah Bernhardt und das Bolschoi-Ballet sind hier früher aufgetreten - das stille Cienfuegos, wo sich heute kaum einmal ein Tourist hinverirrt, war einst ein Städtchen von Welt. Jetzt cruisen nur noch abends die Jung-Cubaner über den Malecón; mit allem, was Räder hat: Mit drei Personen besetzte Fahrräder, Rollschuhe, aufgemotzte Ladas, knatternde MZs mit Seitenwagen, Pferdefuhrwerke und Chevys in allen Verfallstadien, dazu Salsa-Rhythmen von Straßenmusikanten und aus krächzenden Stereoanlagen.

Wir haben mal wieder ein Super Quartier: Das Hostal "Palacio Azul", ein etwas abgewetztes, aber charaktervolles altes Herrenhaus, früher die Strandvilla eines reichen Zuckerrohrpflanzers. Innen alles Marmor, schwere Kronleuchter an vier Meter hohen Stuckdecken, romantische Buntglasfenster - und die dicke Köchin Miriam, eine Seele von Mensch, fährt das beste auf, was Küche und Keller zu bieten haben, zu einem Preis, da hätten wir in Havanna noch nicht mal frühstücken können. Nur am Getränkeangebot, da könnten die Cubaner noch etwas feilen: Beim Abendbummel auf der Plaza lassen wir uns in einem Straßencafé unter den Arkaden nieder und bestellen ein Mineralwasser und ein Bier. Da muss die Kellnerin herzlich lachen: Es gibt nur Cuba Libre, Mohito, wahlweise auch Rum pur, sogar fünferlei Sorten. Eieiei! Trotzdem, so langsam macht das Land uns Spaß.

In Cienfuegos

Schon bald brechen wir am nächsten Morgen auf und treten kräftig in die Pedale - Miriam hat gemeint, es soll Regen geben. Tatsächlich türmen sich riesige Quellwolken auf, die auch am Anfang unserer Tagesetappe sehr schön für Schatten sorgen und die Hitze erträglich machen. Doch ab 10.00 Uhr wird es wieder glühend heiß, auch fast kein Wind heute. Tatsächlich regnet es bis abends keinen Tropfen. Und wir verpassen glatt die Landstraße nach Trinidad - Beschilderung Fehlanzeige, wie so oft in Cuba. Es läuft gerade richtig gut, schön bergab, da taucht plötzlich linker Hand das Meer auf, womit wir jetzt eigentlich nicht gerechnet hätten. Hmrrgrmpf - wir sind in Playa Rancho Luna! Fluchend hecheln wir die Steigung wieder hoch, fast zehn Kilometer sind es bis zur richtigen Abzweigung. Die Hauptstraße nach Trinidad hat etwa das Format eines landwirtschaftlichen Hauptwegs bei uns zu Hause im Strohgäu, nur dass der Belag schlechter ist.

So langsam wird auch, jetzt wirklich bei schwüler Backofenhitze, das Gelände sehr hügelig, sodass wir alle Gänge brauchen. Ein älterer Bauer mit seinem noch älteren Fahrrad fährt denselben Weg; am Berg überholt er uns immer (er hat zwar keine Gangschaltung, aber hinten ein riesiges Ritzel) und freut sich, dass er es den Turistas gezeigt hat. Aber bergab hat er keine Chance. Als er gerade grinsend in einen Feldweg einbiegen will, ziehen wir wieder vorbei, und so endet das Rennen unentschieden.

Auf dem Weg nach Trinidad

Weiter, Hügel, Hitze - nachmittags jedoch kommt endlich der übliche Passatwind auf, und es wird wesentlich angenehmer. Gegenwind, natürlich - doch die Landschaft entschädigt für die Mühe. Kakteen und Mangobäume säumen die Straße, dazu Bananenplantagen und die ersten Zuckerrohrfelder. Immer wieder grüßt von rechts das wunderbar blaue Meer herüber; wir überqueren etliche Flussmündungen auf schön geschwungenen Brücken; draußen an der Küste lassen sich traumhafte Sandstrände erahnen. Das Escambray-Gebirge mit seinen blau-dunstigen Berggipfeln zieht sich links entlang. Und einsam ist es! Kein Dorf, kein Gasthaus, kein Obststand, nur ein paar Haciendas und landwirtschaftliche Kooperativen, teils weit entfernt von der Straße. Dann Macchia-artiges Gestrüpp, ein paar Buchten mit dichten Mangroven. Unmengen an Krabben sind auf dem Asphalt plattgefahren. Doch da - endlich eine Kneipe! Ein paar Tische und Stühle unter einem Palmwedeldach, eine Theke, und was gibt es? Flaschenweise Rum! Immerhin, auch Bier. Aber keinen Orangensaft, kein Mineralwasser, keine Früchte, nada, nichts. Mit hängender Zunge hecheln wir weiter. Wir brauchen dringend Wasser und Vitamine! Dem nächsten, der uns einen Rum anbietet, haue ich eine ans Geweih. Doch dann können wir doch noch von einem fliegenden Händler ein paar Bananen und eine Orange erwerben. Und ab jetzt haben wir immer für zwei Tage Früchte dabei, anstatt der zwei Tagesrationen Nudeln mit Zubehör auf unseren sonstigen Radtouren. Tja, in Cuba gehen die Uhren in vieler Hinsicht anders.

Nach gut 100 Kilometern erreichen wir Trinidad doch noch - 73 hätten es eigentlich sein sollen. Über holperiges Kopfsteinpflaster arbeiten wir uns zur Plaza Central vor, im Windschatten eine halbe Hundertschaft an Schleppern, die uns alle in ihre Casas Particulares lotsen wollen. Im Gegensatz zu Cienfuegos ist Trinidad, das als besterhaltene Kolonialstadt Cubas gilt, durchaus vom Tourismus nicht unbeleckt - fast jeder, der die langgestreckte Insel besucht, kommt wenigstens auf Stippvisite hierher.

Trinidad

Am Ende entscheiden wir uns für den gemütlichen Carlos. Der ist etwa so breit wie hoch, seine Frau noch einen halben Meter breiter - das lässt auf eine gute Küche schließen. Die beiden haben direkt an der Plaza ein wunderschönes historisches Haus. Von außen sieht man nur eine abstoßende Wand, zwei vergitterte Fenster und ein riesiges Scheunentor. Innen aber gibt es wuchtige Mahagonimöbel unter schweren Holzbalkendecken, fantastische Steinmosaik-Fußböden, an der Wand tolle Bilder von örtlichen Künstlern. Die Zimmer öffnen sich alle auf einen fantastischen Hausgarten, in wahrsten Sinne des Wortes, denn kein Fenster hat auch nur eine einzige Glasscheibe, sondern nur verschließbare Holzlamellen. Glücklich, wer in einem solchen Klima leben kann! Und im Garten wachsen Palmen, Papayas, Bananen, Hibiskus, Orchideen, dazu plätschert ein kleiner Brunnen. Zwei zahme Papageien kommen krächzend angeflogen, ein Colibri schwirrt an den blühenden Rankepflanzen entlang, Eidechsen huschen über die Mauern, abends flattern Fledermäuse - also, dieses Anwesen ist schon ein kleines Paradies, das muss man sagen!

Und wieder einmal sind wir bei einer wahnsinnig netten Familie gelandet. Carlos, der recht gut Englisch spricht, weiß eine Menge Tipps für die Umgebung, seine Frau sitzt mit Engelsgeduld auf der Terrasse und sortiert stundenlang Reiskörner, der Opa wohnt noch da, ein fanatischer Funker und Radiobastler. Überall in seinem Zimmer liegen Transistoren, Röhren und Kabel umher, halb ausgebeinte, uralte Fernsehgeräte stapeln sich an der Rückwand. Der Sohn liest gerne, die Hausmädchen spielen abends Domino, und alle sind stolz auf ihr schnurloses Telefon, das wie eine Reliquie auf einem separaten Tischchen steht. Und, der erste Eindruck hat nicht getrogen: Das Essen ist, sofern überhaupt möglich, sogar noch eine Nummer besser als bei Flora. Es gefällt uns super hier, und wir bleiben gleich drei Tage.

Straßenszene in Trinidad

Trinidad ist aber auch ein Juwel, sicher das schönste Städtchen auf Cuba. Praktisch kein einziges modernes Haus stört das koloniale Gesamtbild, stolz präsentiert man ganze Straßenzüge mit einem Labyrinth roter Hausdächer, weiß getünchte alte Herrenhäuser, dekorative Kachelwände, Säulen, gedrechselte Fensterschirme, kunstvolles Schmiedeeisen. Fast alle der historischen Gebäude sind einstöckig, und durch die stets offenen vergitterten Fenster sieht man, dass Carlos' Ensemble durchaus kein Einzelfall ist. Überall herrscht das pralle Leben, das ist praktisch die ländliche Version von Havannas Altstadt. Nur, dass mehr beladene Esel und Pferdekutschen durch das Städtchen schaukeln als Autos. In zahlreichen Werkstätten wird gewebt, getöpfert und gemalt, in den Guarapo Bars gibt es eisgekühlt den süßen Saft des Zuckerrohrs, der mit uralten Handpressen aus den dicken Stengeln gepresst wird. Durch Zufall geraten wir sogar noch in eine wirklich echte und authentische Zigarrenmanufaktur, wo wir jetzt tatsächlich den gesamten Produktionsprozess der langen Glimmstengel sehen und sogar knipsen dürfen - vom Rollen der Blätter, dem Formpressen und dem Deckblatt Aufbringen bis zum Kleben der Bauchbinde. Keinen Cent kostet es diesmal, aber wir müssen versprechen, dass wir ein paar Fotos schicken. Das machen wir natürlich, Ehrensache!

Zigarrenmanufaktur

Das friedliche Trinidad war früher mal eine der reichsten Städte Zentralamerikas und hat eine recht harte Vergangenheit. Im 17. Jahrhundert sprach man von einem so genannten "Zuckerdreieck". Europäer exportierten Gewehre, Salz, Industrieprodukte und Stoffe nach Westafrika. Dort tauschten arabische Kaufleute und korrupte Herrscher diese Waren gegen Sklaven ein. Ganze afrikanische Dörfer wurden seinerzeit gefangen gesetzt, die Sklaven brachte man über den Atlantik, und dann landeten sie in solchen Städten wie Trinidad de Cuba, das im 18. und 19. Jahrhundert der größte Umschlagplatz des Sklavenhandels in der Karibik war. Das Dreieck schloss sich mit dem Export von Tabak, Baumwolle und natürlich vor allem Zucker nach Europa. Als 1880 die Sklaverei in Cuba offiziell abgeschafft wurde, fühlten sich viele der Zuckerbarone ihrer wirtschaftlichen Existenz beraubt, zogen weg und Trinidad versank vorübergehend in der Bedeutungslosigkeit. So wurden kaum Häuser abgerissen und durch modernere Neubauten ersetzt - ein Glücksfall für das heutige Stadtbild.

Stundenlang könnte man durch diese Gassen schlendern. Und toll ist auch Trinidads Lage, etwas erhöht über dem Meer; nur sieben Kilometer sind es zu fantastischen Karibikstränden bei Ancon und La Boca. Uns reizt natürlich auch das Escambray-Gebirge - per Rad hecheln wir die 20 Kilometer nach Topes de Collantes hinauf, 800 Metros sobra el nivel del mar. Das hört sich nach moderater Steigung an, aber die Straße ist dermaßen gemein, dass wir bis zum Abend mehr als 1400 Höhenmeter zurückgelegt haben, bei Spitzensteigungen von um die 18%, die pure Achterbahn. Nach jeder mühsam erklommenen Karstkuppe stürzt sich die löchrige Fahrbahn in das nächste Tal hinab, mit einem Gefälle, dass man sich fast überschlägt. Oben gibt es dafür weite Ausblicke; Kiefern und Tannen mischen sich in die tropische Pflanzenvielfalt, und es ist wunderbar kühl und luftig. Von den Bananen zu den Tannen - auch ein interessantes Thema für eine Tagesradtour! So vielseitig ist Cuba; wer hätte das gedacht. Aber wir sind völlig platt, sodass wir überlegen, ob wir uns nicht für ein paar Tage ins altehrwürdige Kursanatorium von Topes de Collantes einliefern lassen sollen. Und von dem wie immer reichhaltigem Abendessen, das Carlos uns auf den Tisch stellt, lassen wir heute keinen Krümel übrig.

Sicher deshalb haben wir am nächsten Morgen ein weiteres Mal allerschönstes Wetter. Weiter geht es, Richtung Sancti Spíritus. Gut finden wir aus Trinidad hinaus, eine kleine Anhöhe stellt sich quer, dann rollen wir hinab ins Valle de los Ingenios. Dieses ist bekannt für seine weiten Zuckerrohrfelder, praktisch das Herz des gesamten cubanischen Zuckeranbaugebiets. Gegen 1830 wurde dieses hübsche Tal in ein Meer aus Zuckerrohr verwandelt; damals waren hier zudem 73 industrielle und noch eine ganze Menge kleinere Zuckerfabriken in Betrieb. "Cuba - die Zuckerinsel" - Ich weiß noch genau, wie uns unser Erdkundelehrer das damals in der gymnasialen Mittelstufe als Überschrift ins Heft diktierte. 1955 noch war Cuba mit Abstand der größte Zuckerproduzent der Welt. Heute rangiert das Land nur noch so etwa auf Platz 10, viele Felder sind anderweitig bepflanzt und fast alle Zuckermühlen sind außer Betrieb. Der Zuckerpreis auf den Weltmärkten ist im Keller, Speisezucker bringt nichts mehr ein, lediglich mit Rum lässt sich noch ein vernünftiger Gewinn erzielen.

Zuckerrohr

Immerhin können wir noch beobachten, wie das abgeerntete Zuckerrohr in abgewetzten Maschinerien geshreddert, dann auf LKWs verladen und abtransportiert wird. Die Ernte, früher ein absoluter Knochenjob (kaum ein Zuckerrohrsklave wurde 40 Jahre alt) erfolgt heute auch weitgehend maschinell. Nahebei ist der Torre Iznaga auszumachen, mit 45 Metern im 19. Jahrhundert das höchste Bauwerk Cubas. Er wurde vom Zuckerbaron Aniceto Iznaga errichtet, damit man kontrollieren konnte, ob die Sklaven auch richtig arbeiten. Tja, harte Zeiten! Wir trinken noch am Kiosk neben der Straße ein Glas eisgekühlten Guarapo, der im wahrsten Sinne des Wortes zuckersüß ist. Die umstehenden Cubaner schauen sehr erstaunt, wie wir ihn zu zwei Dritteln mit Wasser verdünnen. Dann pedalieren wir weiter, durch die schöne, wellige Landschaft.

Sancti Spíritus, Placetas, Santa Clara, Cifuentes - in großem Bogen arbeiten wir uns die nächsten Tage hoch zur Atlantikküste und steuern wieder zurück, grob nach Westen, Richtung Varadero, wo der Flieger wartet. Ein Städtchen ist netter als das andere, spätestens hinter Santa Clara auch wieder völlig untouristisch, das echte Cuba eben. Fast haben wir Schwierigkeiten, jeden Abend ein Nachtquartier zu finden.

So auch in Sagua la Grande. Das einzige Hotel in der Stadt sieht nicht sehr Vertrauen erweckend aus, heruntergekommen, eine Absteige. Ob es nicht noch etwas anderes gäbe? Alle, die wir fragen, schicken uns übereinstimmend zum Motel "La Roca", fünf Kilometer außerhalb, wie es heißt. Nur, warum kommt es weder in unserem Reiseführer noch in unserer Karte? Etwas skeptisch lassen wir es wieder anrollen, verlassen Sagua, weiter nach Westen. Da sehen wir direkt an der Straße ein sauberes Schild. Auf einem Hügel liegt das Haus, drei Kilometer nach links, asphaltierter Zufahrtsweg. Mit letzter Kraft treten wir unsere Transporter bergauf, dann stehen wir nach einer Kurve plötzlich mitten in der hübschen Anlage. Es gibt einen guten Pool, ein Restaurant, eine Bar und eine Menge nette, wenn auch einfache Bungalows, alle mit schönster Aussicht. 25 Pesos soll die Nacht kosten, wir geben 25 CP über den Tresen - und kriegen mit freundlichem Lächeln 24 zurück. 25 cubanische Pesos sind gemeint, entsprechend 1 CP. Plötzlich geht uns ein ganzer Lampenladen auf: Das ist der Preis, den die Cubaner in der Regel für eine solche Leistung zahlen müssen. Touristen kommen praktisch nie hierher, und der Receptionista ist ein ehrlicher Mensch. Jetzt ist uns klar, warum es auf Cuba Touristenhotels, Touristenzentren, Touristenbusse usw. gibt: Dort zocken sie von den Touris ein Vielfaches des Preises ab, den die Einheimischen gemeinhin für gleichwertige Dienste zahlen. Und damit es keinen Zoff gibt, versucht man, die Cubaner und die Auswärtigen in unterschiedlichen Käfigen zu halten. Jetzt können auch wir einen großen Rum gebrauchen! Solche schlecht kaschierten Ungerechtigkeiten können einem schon gewaltig auf die Nerven gehen und sind ein echtes Minus für dieses eigentlich sonst so schöne Land. Selbst das gute Abendessen, ein dreigängiges Menü für 1 CP p/pax inclusive Bier und Kaffee, kann da heute nicht so recht begeistern.

Zwischen Sagua la Grande und Quemado de Güimes

Früh schon verabschieden wir uns am nächsten Morgen vom freundlichen Personal des Motels "La Roca", rollen den Hügel wieder hinunter und biegen ein auf die Landstraße "CN", Kurs West. Super angenehm ist es hier unweit der cubanischen Nordküste, der frische Ostwind schiebt uns an, wie schon seit unserem Wendepunkt in Sancti Spíritus - Radeln in seiner schönsten Form! Wir machen gut Fahrt, in Quemado de Güimes gibt es noch ein kleines zweites Frühstück vor dem "Panamericana"-Laden in Form von einer Orangenlimo und ein paar Keksen. Weiter, Rückenwind, ansprechende Landschaft, kaum Verkehr - der perfekte Radeltag! Nur Sybille beschwert sich, ihr Fahrrad laufe schon seit einer Weile so komisch.

In Rancho Veloz, kurz vor Mittag, suchen wir ein schattiges Pausenbänkchen auf der Plaza, dann schaue ich mir das mal genauer an. Seltsam, der Radstand scheint länger geworden sein, das Fahrrad sieht ein bisschen so aus wie Peter Fondas Harley im Film "Easy Rider". Und siehe da: Das Gabelschaftrohr ist gebrochen! Unglaublich, was an einem Fahrrad alles kaputt gehen kann! Jetzt wissen wir auch, warum das Rad schon seit Havanna so versetzt daher kam. Natürlich kann man's wieder einmal nicht beweisen, aber wir sind sicher, das kommt von der unsachgemäßen und rüden Behandlung beim Flugtransport. Uff, da haben wir trotz allem mal wieder Glück gehabt. Ein paar Kilometer weiter, und Sybille hätte das komplette Vorderrad verloren. Die Gabel hängt wirklich nur noch an einem Faden.

Auf den Schreck gibt es zuerst mal ein gutes Mittagessen in Form von einer Holzofenpizza und zwei Bier. Eins ist sicher: Unsere Vuelta de Cuba ist damit beendet, nach nur knapp 600 statt der geplanten 800 Kilometer. Trekkingrad-Gabeln (28 Zoll mit Cantileversockeln) gibt es in ganz Lateinamerika so gut wie gar nicht und auf Cuba schon gleich zweimal nicht. Zum Glück fliegen wir nach dieser Runde mal wieder nach Hause, da haben wir Ersatz. Aber jetzt werden wir uns nach einem Transportista umschauen müssen.

Wir fragen mal auf Verdacht an der nahen Tankstelle, zwecks Transport von zwei Turistas mit problembehaftetem Zweirad-Fuhrpark und Gepäck nach Varadero. Der Tankwart hirnt eine Weile, dann ruft er seinen Kumpel an, der auch tatsächllich gleich mit seinem Coche anrückt, einem '56er Ford Fairlane, ein Riesen Schlitten, wenngleich etwas abgewrackt und im Dienst ergraut. Der Fahrer, eine unendlich lange Latte namens Miguel, erklärt sich auch gleich bereit, uns nach Varadero zu spedieren, 50 CP - das ist okay. Es gibt da nur ein Problem: Den Cubanern ist es bei hohen Strafen untersagt, Touristen in ihren Coches Particulares zu transportieren - im Wiederholungsfall kann sogar das Auto konfisziert werden. Varadero ist immer von viel Polizei umgeben. Da müssen wir uns vor Ort noch was einfallen lassen.

Miguels alter Ford ist dermaßen geräumig, dass man fast darin auf und ab laufen könnte. Sybilles Rad hat, nachdem das Vorderrad ausgebaut ist, locker vor den Rücksitzen Platz, meines kommt in den Kofferraum, der sogar fast noch zugeht. Auf der Rücksitzbank steht unser ganzes Gepäck, wir drei kommen gut auf der Vorderbank unter. Dann setzt sich der ausgeleierte Kübel rumpelnd und stotternd in Bewegung. Wir drehen noch eine Ehrenrunde durch das Dorf, tanken in einem Hühnerstall illegal abgezweigtes Benzin, per Schlauch direkt vom Fass, dann nehmen wir Fahrt auf und Miguel geht mit uns auf die Straße "CN" Richtung Cárdenas.

Nicht geplanter Radtransport

Unter fetzigen klängen aus Miguels kräftiger Stereoanlage (dem einzigen neuen Teil am Auto) nähern wir uns nach gut zwei Stunden der Stadt Cárdenas, die nur noch 25 Kilometer von Varadero entfernt ist. Auf Schleichwegen dringen wir Richtung Zentrum vor. Immer wieder erkundigt sich Miguel per Handzeichen bei seinen entgegenkommenden Kollegen, ob die Patrouille unterwegs ist - zum Glück nicht. Und dann hat Miguel die geniale Idee, zusätzlich ein offizielles Touristentaxi anzumieten. Die sind zwar alle zu klein für zwei Touris mit Fahrrädern und Gepäck, aber wir werden sehen.

Schließlich treibt Miguel den Fahrer Angel auf, der einen fast neuen Citroën Xsara mit Touristen-Transport-Lizenz fährt. 15 CP zusätzlich werden fällig, dann steigen wir mit Gepäck zu Angel um, nur die Räder bleiben in Miguels Auto. So kann der sich bei der Patrouille herausreden - Touristen hat er ja keine an Bord, und der Transport der Räder ist ein Gefallen für seinen Freund Angel, dessen Auto ja, wie jeder sehen kann, zu klein ist. Die beiden "Freunde" haben sich natürlich noch nie gesehen; vorsichtshalber haben sie sich noch ihre Namen, Adressen und ein paar persönliche Dinge genannt, um im Zweifelsfall auch als gute Kumpel durchgehen zu können.

So treffen wir also bald darauf zu viert und mit zwei Autos an der Zufahrt nach Varadero ein. Die Straße führt zweispurig am Polizeiposten vorbei, jedoch nur an der linken Spur steht ein Polizist. So gibt Angel, auf der linken Spur fahrend, Miguels altem Ford Deckung, und schon sind wir durch. Echt gerissen, diese Burschen! Es imponiert uns immer mehr, wie es die Cubaner schaffen, den kleinen Widrigkeiten ihres Alltags ein Schnippchen zu schlagen.

Kurz darauf sind wir vor dem Hotel "Mar del Sur". Die beiden "Freunde" klopfen sich lachend auf die Schultern, dann sind ruckzuck die Räder aus Miguels Ford gezerrt; der gibt dann mit quietschenden Reifen Gas, verschwindet um die nächste Ecke, und wir können in aller Ruhe unser restliches Gepäck aus Angels Citroën ausladen und an der Reception einchecken. Glücklicherweise ist sogar ein Zimmer frei - eigentlich gilt unsere Reservierung ja erst in drei Tagen, und eine solche Fahrradpanne war nun absolut nicht vorgesehen.

Das Zimmer, das uns dann zugeteilt wird, entpuppt sich als eine absolut geniale kleine Ferienwohnung mit komplett ausgestatteter Küche, schönem Balkon und Blick aufs Meer. Schnell ist ein guter Salat, eine Packung Rigatoni, Thunfisch und Tomatensoße gekauft - endlich können wir mal wieder selber kochen! Dann klingt zum wiederholten Mal ein absolut interessanter Cuba-Tag mit einem erstklassigen Dinner aus - so spannend kann Lateinamerika-Urlaub sein! Lange sitzen wir noch bei ein paar Cervezas Cristal auf dem Balkon, schauen zu, wie drunten der Atlantik leise murmelnd ans Ufer plätschert und atmen noch ein paarmal kräftig durch. Dann schlafen wir mal wieder den Schlaf der Gerechten.

Am Strand von Varadero

Eine knappe Woche Varadero steht jetzt noch an. Schnell stellt sich heraus, dass unsere schöne Wohnung das absolut einzige positive Feature in diesem Touristenghetto ist. Mit Beach Life, Animation am Pool und Salsa-Party können wir nun wirklich überhaupt nichts anfangen, und auch der angeblich weltschönste Strand (gut, das Wasser ist wunderbar blau und sehr angenehm) beginnt nach spätestens drei Tagen zu langweilen. Wir probieren es auch noch einmal mit einer kleinen Radtour; Sybille kriegt ein Miet-MTB Marke "Venezia". Dieses sieht so aus, als habe es in Venezia zwei Jahre im Canale Grande gelegen, hat viereckige Räder, die rostigen Kettenglieder springen, und wenn man einmal damit die Halbinsel abgefahren ist, wäre man praktisch schon wieder reif für eine Woche im Sanatorium von Topes de Collantes. Und dabei war das noch das beste, das wir kriegen konnten - andere hatten durchgefaulte Rahmen oder keine Bremsen. So vertreiben wir uns die Zeit mit Walking, liegen doch auch hin und wieder am Pool, kochen abends canadische Linsen mit argentinischen Nudeln und brasilianischen Würstchen, spielen endlose Runden Rummy und lassen uns auf dem Balkon den höchst angenehmen Wind um die Nase wehen.

Linsen auf Cuba! Cubas bestes Bier

Doch Varadero wäre nicht auf Cuba, gäbe es dort nicht auch die hinlänglich bekannte Abzockung. Eine Dose Bier und ein Mineralwasser am volkseigenen Kiosk - 3,55 CP will die Tussi dafür. Wir wenden ein, dass dasselbe gestern bei der Kollegin noch 1,90 CP gekostet habe - ohne rot zu werden meint diese ätzende Schreckschraube, ja, das sei auch okay. Man kann's ja mal probieren. Dann, im "Panamericana"-Laden: Wir kaufen gerade Kuchen fürs Frühstück, einen größeren Posten Orangensaft und das Zubehör für feine Kässpatzen "à la Varadero". Die Kassiererin tippt alles ein, wir schauen den Kassenbon an und werden irgendwie stutzig. Sybille rechnet mit dem Taschenrechner nach - alle Artikel sind korrekt mit ihrem Einzelpreis aufgeführt, aber die Summe lautet auf 13,95 anstatt richtig 10,30 CP. Sind schon echte Saubeitel im Touristen Abzocken, die Cubaner - da haben sie doch glatt im offiziellen Devisen-Laden eine frisierte Kasse! Wortlos gibt uns die Kassiererin die Differenz heraus - man sollte ihr eine Tomate an die sorgfältig geschminkte Rübe schmeißen. Draußen sollen wir dann noch 1 CP für die Aufbewahrung unseres Rucksacks zahlen, den wir nicht mit in den Laden nehmen durften. Natürlich weigern wir uns. Wo zeigt man solche Fälle auf Cuba an? In ganz Varadero haben wir keine Polizeiwache gesehen, die Besatzung des Patrouillenfahrzeugs zuckt mit den Schultern und ist nicht zuständig. Touris Ausnehmen ist Volkssport in den cubanischen Ferienzentren, man kann's nicht anders sagen.

Tja, Cuba, ein Paradies mit Macken. Aber unter dem Strich war das trotz allem eine schöne Panamericana-Radel-Etappe. Solche Menschen wie Flora, Miriam, Carlos, das Team vom "La Roca" und der lange Miguel haben es herausgerissen. Wenn wir je wieder mal hierher kommen, werden wir Fidel persönlich aufsuchen, Bericht erstatten und ihm empfehlen, dass er mal in seinem Hinterhof mit eisernem Besen kehrt.

Sonntag abends, es ist schon lange dunkel, besteigen wir einen schönen Airbus der LTU. Anschnallen, ready for Takeoff, der Flieger startet in östlicher Richtung, gegen den Wind, schraubt sich höher und dreht nochmal eine Ehrenrunde über die Insel. Wir blicken ein letztes Mal aus dem Fenster hinab, und sehen - nichts. Quo vadis, Cuba? Hoffentlich in eine hellere Zukunft, als die zahlreichen Stromausfälle es vermuten lassen.

 

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