Der herbe Charme der "Last FrontierAlaska und WestcanadaEin Samstag Ende Juli, 22 Uhr Ortszeit. Mit gemischten Gefühlen steigen wir auf dem Anchorage Intl. Airport aus dem Flieger. Gut zwanzig Stunden sind wir unterwegs jetzt seit Stuttgart, Germany, die Zeitverschiebung natürlich berücksichtigt, und dreimal umgestiegen (Frankfurt, Vancouver und Seattle), weil Air Canada aufgrund drohenden Konkurses ihre Flugverbindungen ausgedünnt hat. Wir müssen froh sein, überhaupt innerhalb eines Tages anzukommen, aber es ist schon ein blödes Gefühl, wenn man in Vancouver zum Connection Flight abhebt und sieht seine Fahrräder noch unten auf dem Rollfeld liegen. In der kleinen Turboprop (Bombardier Dash 8, bessere Buschpiloten-Klasse) gabs wohl keinen Platz dafür.Am Air-Canada-Schalter auf Anchorage Intl. Airport reagieren sie recht cool; solche Probleme sind sie wohl gewöhnt. Wir füllen einen Delayed Baggage Report aus; morgen gegen Mittag können wir anrufen, dann erfahren wir mehr. Na, hoffen wirs! Wir lassen den Van der Econolodge kommen, wo wir für die ersten beiden Nächte reserviert haben, und beim Warten auf denselben unter Wolken in Sturm und leichtem Drizzel stellen wir fest, dass es in Anchorage nicht nur einen, sondern zwei Kittel kälter ist als zu Hause. Nach einem Marzipanküchlein und einem Cola von der Tankstelle nebenan sinken wir todmüde um halb drei ins Bett, finden aber kaum Schlaf (Jetlag), dazu hupt zwei Straßen weiter die Alarmanlage eines Autos fast die ganze Nacht. Beginnen alle Bike Trips auf der "Traumstraße der Welt so? Von Euphorie ist jedenfalls nichts zu spüren, als wir uns morgens mit hochgeklapptem Kragen zum Orientierungs-Bummel nach Downtown Anchorage aufmachen. ![]() Der Himmel zeigt sich den ganzen Tag über grau in grau, nicht ein Sonnenstrahl bis abends, manchmal drizzelt es ein bisschen und ein böiger Wind bläst uns fast weg. Das Zentrum präsentiert sich als wirre Ansammlung von langweiligen Hochhäusern, abgewrackten Gewerbebauten und Bretterhütten, ein wenig karges Grün dazwischen, immerhin. Vom Resolution Park blicken wir zusammen mit dem Denkmal von Captain Cook auf den Meeresarm Cook Inlet hinaus, auf dem schaumgekrönte Wellen treiben. Zum Subpolar-Erlebnis fehlt jetzt eigentlich bloß noch ein Schneegestöber die Traumstraßen-Träume sind im Moment ganz, ganz weit weg. Dann zurück ins Hotel, Anruf beim Delayed Baggage Agent von Air Canada / United, 1-800-Number, toll free. Der sagt, er heiße David, ist aber ein Automat (what is your ticket number, rrkrkrktschrt, please repeat that, rkblblbl, tell me your last name, ronks, rkrkrkrk, I cant understand you, rkrkblblbl, please spell, klick, do you need more informations? Please say yes or no or goodbye, rk). Wir erfahren aber immerhin, dass unsere Räder jetzt im Flieger von Vancouver nach Anchorage sein müssen, and they will be forwarded to your temporary adress. Vorsichtiger Optimismus keimt. Wir gehen mal prophylaktisch Proviant einkaufen, dazu eine Anstaltspackung Mosquito Repellent, und als wir mit zwei riesigen Tüten von der Straße wieder in die Lobby treten, da stehen an der Wand zwei vertraute Kartons und unsere fahrbaren Untersätze sind da. Uff, große Erleichterung! Schnell wird alles zusammengesetzt, es scheint auch nichts kaputt zu sein, obwohl dem Zustand der Kartons nach zu urteilen diese ganz zuunterst im Gepäckraum gelegen haben müssen. Es folgt eine ausgedehnte Probefahrt, und plötzlich ist Anchorage ein charmanter Außenposten der Wildnis mit durchaus mondänen Hochhäusern, tollen Geschäften und pionierhaft wirkenden, bunten Holzhäusern. ![]() Die Visitor Information ist in einem netten Blockhaus mit Grasdach untergebracht und überall wachsen in gepflegten Parks die schönsten Blumen. Zur Feier des Tages kaufen wir bei der Pizza Hut Delivery eine riesige Supreme Pan Pizza und transportieren sie auf dem Lenker nach Hause. Super Abendessen, dazu gibts einen Caesars Salad und fünf Coors Light. Nach dem Essen pennen wir fast am Tisch ein, schleppen uns hinüber zum Bett und schlafen wie die Steine. Ha, Feuerland wir kommen! Voll euphorisch jetzt schwingen wir uns am nächsten Morgen in den Sattel. Exakt beim Start hört sogar der Regen auf und die Sonne kommt raus. Ein Engländer macht das Startfoto (Oh, I also do some biking over there in Great Britain). ![]() Dann fahren wir, wie immer am Anfang noch etwas wacklig, in dichtem Verkehr auf dem Glenn Highway aus Anchorage hinaus. Bald haben wir die Großstadt hinter uns, die eigentlich überraschend klein ist. Wir passieren noch den Buschpiloten-Flugplatz, dann wird es gleich recht ländlich; der starke Verkehr aber bleibt noch lange. Das Wetter macht heute alle Spielarten durch von Sonne mit Wolken, kräftigem Regenschauer bis Starkwind mit Wolkenfetzen, dazu bleibt es immer recht frisch. Beim Mittagessen vor Peters Trading Post frösteln wir jedenfalls kräftig, so dass wir gerne bald wieder in die Pedale treten. Kurz vorher wirds uns dafür warm bei der Reparatur des ersten Platten. Erst ab Palmer lässt der Verkehr spürbar nach, dafür wird der Regen stärker. Der Glenn Highway tritt in das Tal des Matanuska River ein, dessen Flusssand einst das zweitgrößte Goldvorkommen Alaskas barg. Lange radeln wir durch dichte Wälder mit einzeln eingesprenkelten Häusern immer in Sichtweite des Flusses dahin, bis nach exakt 120 Kilometern ein Schild den King Mountain State Park Campground ankündigt. Passt exakt wir checken ein. Was heißt einchecken auf einem Campground in Alaska? Wer deutsche, französische oder italienische Camping-Kultur gewöhnt ist, dem steht jetzt ein harter Umgewöhnungsprozess ins Haus! Die Rezeption besteht aus einem Plastikbeutel mit Umschlägen, von denen einer mit Name, Anschrift und 10 Bucks versehen im benachbarten Briefkasten zu versenken ist. Die Annehmlichkeiten beschränken sich auf einige Lichtungen im Wald, Feuerringe und einem Holzstapel (help yourself!), dazu immerhin ein paar Tische mit Bänken, eine Grillhütte und ein Schild mit der Aufschrift "Bear Management Area. Hot Shower gibts nicht, Trinkwasser dito, und das einzige Klo ist eines der Gattung Plumps. Doch nachdem der Regen aufgehört hat, wird es noch ein netter Abend mit Erbsensuppe, Bud Light und einer halben Million Moskitos, von denen uns aber dank unserem guten Repellent höchstens 300 stechen. Ob Bären Erbsensuppe mögen? Eigentlich sollten wir uns ja mit Bären auskennen, schließlich haben wir zu Hause ein Bärenstudio. ![]() Aber ehrlich, wir sind schon zwei rechte Muffengänger! Wir haben gelesen, man solle im Bear Country seine Vorräte tunlichst mittels eines Seils auf einen Baum hochziehen, und zwar mindestens 200 Fuß entfernt vom Zelt, 12 Fuß hoch und 10 Fuß weg vom Stamm. Und zu allem Überfluss fressen diese unvernünftigen Tiere auch so exotische Dinge wie Zahnpasta und Gesäßcreme. Dazu gibt es hier nur schlanke Fichten mit dünnen Ästen, keinen einzigen vernünftigen Baum wie soll man da seine Verpflegung in die Höhe bringen? Ob wir wirklich jeden Tag zelten müssen? Um ehrlich zu sein, vor den Bären haben wir mehr Respekt als vor dem Stadtverkehr in México City, tropischen Wirbelstürmen und sämtlichen peruanischen Banditen. Doch glücklicherweise befreien uns zwei nette Rentnerehepaare aus Florida von der Bürde, unsere gesamten Vorräte auf einen Sitz aufzuessen, indem sie unser gesamtes Futter bärensicher in ihrem Camper einlagern. Dazu versorgen sie uns noch mit jeder Menge gutem Trinkwasser, und der urtümlich rauschende Fluss wiegt uns angenehm in den Schlaf. Kaum sind wir am nächsten Morgen aus dem Schlafsack gekrochen, setzt ein ordentlicher Regen ein. Deshalb wird das Zusammenpacken in der Grillhütte vorgenommen. Frühstück fällt ein bisschen spärlich aus; auch im General Store 200 Meter weiter haben sie nur wenig Obst, keinen Joghurt, dafür aber gute Apfelschnecken. Wir treffen noch zwei weitere Radler, einen Engländer, der die Panamericana fahren will, und einen netten älteren Rheinländer, der schon drei Monate in Alaska unterwegs ist und Unmengen Gepäck dabei hat ("über 50 Kilo, dabei hab ich schon die Hälfte heimgeschickt). Dann sind wir zunächst ganz gut auf der Rolle, bis es anfängt kräftig hügelig zu werden. Dafür wird die Landschaft immer schöner; wir passieren den Long Lake und blicken immer wieder in spektakuläre Täler mit Wald, Felsen und reißenden Flüssen. ![]() Im Victoria Roadhouse essen wir sehr nett zu Mittag (Hot Dog, Chips, Orange, Cola, Schokolade und Espresso). Roadhouses treten zwar nur in recht großen Abständen auf, sind aber absolut genial und echte Orte der Behaglichkeit; jedes hat seinen eigenen urigen Charakter, wie wir noch feststellen werden, und wir lassen kein einziges aus. Bei der spärlichen Nachschubsituation muss man das auch; am besten empfiehlt sich für Alaska die Seefood-Diet (all the food I see I eat). ![]() Auch das Wetter spielt jetzt mit, kein Regen mehr, allerdings ist es bedeckt und frisch. Nachmittags passieren wir den Matanuska State Park und sehen auf der anderen Talseite eine Gletscherzunge des riesigen Columbia Icefields liegen. Zwar recht weit weg, trotzdem ein spektakulärer Anblick! Wir haben einige Zeit, diesen zu genießen, denn vor uns liegt eine gigantische Straßen-Großbaustelle, wo sie uns trotz ausdauernder Fürbitte nicht weiterradeln lassen. No chance, folks, thats too dangerous, many big trucks on the roadway. You have to wait for the pilot car! Der Pilot Car ist ein klappriger Pickup, dessen Ladefläche voller Gerümpel liegt. Obendrauf packen wir Fahrräder und Gepäck; Sybille findet im Führerhaus Platz, ich sitze auf der Bordwand, halte mich mit einer Hand am Bremslicht fest und passe mit der anderen Hand auf, dass nichts verloren geht. Ist ein harter Ritt, gut zehn Kilometer, schon mal Training für die Anden, falls eine Transfer-Etappe nötig wird. Wetter und Landschaft werden immer schöner. Bald radeln wir über eine tundraartige Hochfläche, weite Grasflächen, vereinzelte Tannen und eingesprenkelte Seen, die Knob Lakes, erstrecken sich bis zum unendlichen Horizont, das Ganze unter spektakulärem Himmel und bei gutem Rückenwind. ![]() Wir sind hier schon auf 1000 Metern Höhe, es ist ordentlich frisch, und als linker Hand die nett aussehende Eureka Lodge auftaucht, nehmen wir uns ein gemütliches Zimmer. Und spätestens bei der schönen heißen Dusche und einem kräftigen Abendessen (Chicken Strips with French Fries, Side Salad und Coors Light) sind wir ganz froh, dass wir heute nicht campen müssen. Das Zelt ist auch noch richtig nass, trocknet im warmen Zimmer aber schnell. Vor dem Schlafengehen trudelt noch Jeff ein, ein hier urlaubender Mountainbiker, in T-Shirt, kurzer Hose und Sandalen ohne Socken (Schnatter!), dafür mit Laptop auf dem Gepäckträger. Der zeigt uns eine Menge Bilder von den Single Trails und Scenic Views im Hinterland. Am nächsten Morgen kommen wir genau 100 Meter weit, dann haben wir Plattfuß Nummer zwei, wieder bei Sybille hinten. Ein Mini-Metallstift steckt im Reifen, scheint doch schon recht dünn zu sein. Vielleicht können wir in Glennallen einen neuen kaufen? Da erscheint genau im rechten Moment der Radler aus dem Rheinland auf dem Plan und überlässt uns seinen nur leicht abgefahrenen Ersatzreifen. Friedhelm Hausmann fliegt bald nach Hause, er braucht den Reifen nicht mehr, und jede Bezahlung lehnt er ab. So ein Glück mal wieder! Da der neue Pneu aber nicht richtig rund läuft, muss ich auf einer Seite mit dem Taschenmesser ein paar Noppen abschneiden, dann flutscht es, und wir sind wieder gut auf der Rolle. Heute geht es mostly downhill, aber ein unangenehmer Gegenwind verhindert einen guten Schnitt. Der Himmel ist leider wieder bedeckt; hin und wieder nieselt es, und man kann den laut Reiseführer wunderschönen Blick auf die Wrangell Mountains nur sehr eingeschränkt genießen. Erst kurz vor Glennallen schaut der Mt. Drum teilweise aus den Wolken, fast ein 5000er immerhin, und lässt wenigstens im Groben seinen beeindruckenden Umriss erahnen. ![]() In Glennallen gehen wir auf den Campground; Herr Hausmann ist auch schon da. Einkaufen und Münzwäscherei ist angesagt, dann kochen wir im Windschutzzelt des Camping Hosts ein leckeres Chili, leider ohne Bier, denn das gibt es erst wieder nach fünf Meilen. Dafür gibt es eine schöne Dusche, sieben Minuten für drei Bucks, und auch das Moskitomittel muss wieder zum Einsatz kommen. Trotzdem gut geschlafen. Nachts kommt ein paarmal kräftiger Regen auf, und auch um sieben, als wir aus dem Zelt kriechen, ist der Segen noch nicht vorbei. Frühstück im Stehen, dann muss mal wieder alles nass eingepackt werden. Um neun sind wir dann on the road, in vollem Regen-Outfit. Wir schauen noch kurz bei der Tourist Information hinein, um die Accomodations am Tok Cutoff zu checken, und als ich nach fünf Minuten wieder herauskomme, macht sich strahlend blauer Himmel breit, der uns fast den ganzen restlichen Tag erhalten bleibt. Das bestätigt den alten Alaska-Yukon-Spruch: "Dir gefällt das Wetter nicht? Dann warte zehn Minuten! Schon nach einer halben Stunde haben wir einen kräftigen Sonnenbrand am Hals, aber trotzdem, so kann es bleiben. ![]() Jetzt geht es gut 20 Kilometer auf dem Richardson Hwy. nach Norden, dann kommt die Abzweigung nach Tok. Bis dorthin sind es noch gut 200 Kilometer, auf und ab, meist schmale Straße, überall Baustellen mit Loose Gravel. An einem Rastplatz essen wir mit schönem Blick auf den Gakona River zu Mittag und unterhalten uns nett mit einem Ehepaar aus Minnesota, das so etwa dieselbe Ansicht über George W. Bush hat wie wir und alles über das deutsche Sozialsystem wissen will. Der Tok Cutoff führt uns durch weites, fast menschenleeres Land heute, rundum Millionen kümmerlicher Tundrafichten; ab und zu ist eine interessante Bergkette am Horizont zu erkennen. Sobald man nur kurz anhält, sind zehntausend Moskitos da, die uns kräftig piesacken und sogar durch die Hose stechen. Dafür am Abend ein absoluter Glückstreffer: In Chistochina finden wir bei Familie Traw eine geniale Blockhütte für die Nacht, top-gemütlich mit allem Zubehör, sogar ein reichhaltiges Frühstück steht im Kühlschrank bereit. Wir legen das Zelt trocken, ölen die Fahrradketten, flicken den durchlöcherten Schlauch von gestern morgen, machen eine leckere Chunky Soup von Campbell auf (Beef with Country Vegetables) und verbringen rundum einen sehr netten Abend, sinken todmüde um neun ins Bett. Mal abgesehen vom fehlenden Bier: So kann Alaska weitergehen! ![]() ![]() Morgens ist es bedeckt und klapperkalt, geschätzte 8° C. Nach kräftigem Frühstück, sogar mit gutem Joghurt, strampeln wir unter Einsatz aller Klamotten los. Wozu haben wir eigentlich kurze Radsachen dabei? Selbst an den längeren Steigungen wird es uns heute nicht warm, die Sonne lässt sich nur minutenweise blicken und den ganzen Tag bläst mit Vehemenz ein echt gemeiner Gegenwind. Dafür haben wir bis nachmittags einen schönen Blick auf Mt. Sanford und Mt. Drum, die fast bis ins Tal herunter verschneit sind, und wir scheinen überhaupt nicht vorwärts zu kommen. Dazu ist es einsam, einsam, einsam fast kein Verkehr und nur wenige Zufahrten zu Häusern weit draußen im Busch. Wir klingeln häufig, um die Bären vorzuwarnen; obs einen Wert hat? Mittags, exakt um zwölf, kommen wir, als hätten wirs vorhergeplant, zum einzigen Laden auf der ganzen Strecke (Midway Groceries). Der entpuppt sich als richtiger kleiner Supermarkt, sogar mit Bananen! Da ist die Welt wieder in Ordnung wir kaufen kräftig ein, gleich für zwei Tage, und lassen uns zum Lunch auf der Veranda nieder, wo die Sitzbank eines alten Vans vor sich hingammelt. Wir finden gute Brötchen, Wurstaufschnitt, Zwiebeln und Chips, und ganz hinten in den Niederungen des Kühlregals, kaum zu glauben, sogar eine kleine Auswahl feiner Biere. Erfreut nehmen wir zwei Flaschen Coors Light mit zur Kasse. Auf die Frage, ob man das laut Alaska State Law überhaupt draußen trinken dürfe, schaut der Ladenbesitzer leicht irritiert, dann meint er, ausnahmsweise wir hätten zwar eigentlich seinen eigenen Biervorrat entdeckt, aber die zwei Flaschen schenkt er uns. Super Service, wirklich der Laden hier muss wirklich allen Travellern wärmstens empfohlen werden, was hiermit geschehen sei. Sehr gepflegtes Mittagessen also, dabei schauen wir dem Boss beim Bogenschießen zu. Er schießt quer über den ganzen Platz auf eine Zielscheibe, die an einem alten Kühlschrank hängt. Hoffentlich wird nicht mal ein Kunde erlegt! Scheints, so hören wir, geht er mit diesem Equipment auch auf die Jagd, aber er trifft damit noch nicht so gut wie mit seiner Knarre. Dann weiter, bergauf, bergab über endlose Gravel-Passagen. Wie man uns schon in Glennallen mitgeteilt hat, gab es in dieser Region im vergangenen Herbst ein kräftiges Erdbeben (7,9 on Richter Scale). Dabei hat es etliche Häuser und den ganzen Highway zerbröselt, der bislang erst notdürftig instandgesetzt ist. Wir kommen wieder kaum vorwärts, aber gottseidank ist das heute eine relativ kurze Etappe, 67 Kilometer bis zur Mentasta Lodge, wo wir bei 11° C. Außentemperatur gegen halb fünf eintreffen, gerade mit Beginn eines kräftigen Regenschauers. Wir kriegen ein nettes Zimmer im Blockhausstil, dazu ein gutes Abendessen (Spaghetti with Meat Sauce, Garlic Bread and Salad, all you can eat). Auch Bier gibt es; hier darf man es aber nicht zum Essen trinken, sondern nur im Zimmer oder in der verqualmten Bar. Es lebe der Midway Grocery Store! Und nach dem Essen erzählt uns der Wirt, dass das 7,9 Quake letztes Jahr einen 30 cm breiten Riss durch die ganze Kneipe gezogen hat, direkt hier unter unserem Tisch. Mahlzeit! ![]() Beim Aufstehen am nächsten Morgen hat es knapp 5° C. im Zimmer; schnell wird gefrühstückt, zusammengepackt und aufgesessen, damit wir endlich in wärmere Gefilde kommen. Zwei Kilometer weiter sind wir am Mentasta Summit (747 Meter) und damit auf der Passhöhe. Ab sofort geht es bergab, theoretisch zumindest, denn immer wieder sorgen Gegenanstiege und lange Gravel-Abschnitte dafür, dass es den Radlern nicht zu wohl wird. Doch wir kommen gut vorwärts und sind am frühen Nachmittag in Tok. Jetzt haben wir die Regenscheide überquert, in Tok soll es im Sommer mostly sunny sein, und tatsächlich, der Himmel reißt immer mehr auf und ein frischer Nordwind fetzt die ALCAN entlang. Hoffentlich tut er das in etwas wärmerer Form auch die nächsten Tage noch; ein bisschen Rückenwind könnten wir mal wieder brauchen. Tok ist, obwohl es nur 1200 Einwohner hat, so etwas wie ein kleines Zentrum am Alaska Highway. Jeder, der (aus welcher Richtung auch immer) North to Alaska will, muss hier vorbei. Wir lassen es für heute gut sein und stellen unser Tipi auf dem Gateway Salmon Bake Campground auf, direkt hinter der Lachsbräterei. Wenn wir schon bislang keine heimischen Wildtierlein gesehen haben, müssen wir jetzt wenigstens endlich mal eines hineinziehen: Zum Abendessen gibt es heute den schon längst fälligen Lachs. Für 17,95 US$ p/pax leisten wir uns ein King Salmon Menue, bestehend aus Lachs-Sahne-Suppe, Salatteller, auf dem Holzfeuer gegrilltem Lachs mit Barbecue-Sauce, Boston Baked Beans und Sourdough Rolls, schmeckt einfach gigantisch, kräftig zugelangt. Hinterher können wir uns gerade noch zum Bierladen schleppen, dann schreiben wir noch bei einer Dose Bud Light unsere Postkarten, kriechen bald ins Zelt und schlafen diese Nacht überwiegend auf dem Rücken. Gutes Futter macht faul, Tok gefällt uns, wir sind gut in der Zeit und beschließen, gleich noch eine weitere Nacht hier zu verbringen. Somit gibt es einen netten Downtown-Bummel, die Wäsche muss gewaschen werden, wir vervollständigen unsere Vorräte, checken im Alaska Milepost in der Stadtbücherei die Accomodations für die nächsten Etappen und frönen ausgiebig der Mittagsruhe. Tut echt mal gut, so ein freier Tag; mittlerweile hat sich auch die Sonne ganz durch die Wolken gekämpft und es wird angenehm warm. Das lässt für die Weiterfahrt hoffen. ![]() ![]() ![]() Abends gehen wir Pizza essen zu Fast Eddys. Toller Laden das, zwar ein bisschen Schnellgaststätten-Stil, was schon durch das Wappen über der Eingangstür unterstrichen wird, auf dem ein Bär den Pizza-Kellner verfolgt. Aber gleich der Trip zur Salad Bar lässt ein gutes Gefühl der Zufriedenheit aufkommen, und auch an der Pizza (McKinley Medium) gibt es absolut nix auszusetzen. Dazu süffeln wir vier Millers Lite und hinterher einen größeren Posten Kaffee. Und auf dem Klo haben sie im Pissoir eine Gummi-Einlage mit dem Konterfei von Osama Bin Laden und der Aufschrift "Stop Terrorism Pinkeln sie auf den Chef-Terroristen! Macht Spaß, gleich zweimal Maß genommen. Am nächsten Morgen gibt es, trotz gestriger Sonnen-Einlage, doch gleich wieder leichten Drizzel. Trotzdem sind wir um halb neun Uhr auf der Rolle, extra früh, denn heute steht eine lange Etappe an. Außer dem Tanana River, den wir auf schöner Gitterbrücke überqueren, gibt es den ganzen Tag über nicht viel zu sehen. Der ständig graue Himmel schickt öfters einen Regenschauer, was die Stimmung nicht unbedingt hebt. ![]() Dafür kommen wir auf der ALCAN, die gottseidank bei weitem nicht so einsam ist wie der Tok Cutoff, trotz ausgedehnter Baustelle mit Gravel recht gut vorwärts. Beim Mittagessen in Northway Junction haben wir schon fast 80 Kilometer, da packen wir den Rest zur canadischen Grenze heute auch noch vollends. Gegen halb sechs treffen wir, nach 140 Kilometern strammem Ritt, in Border City ein und nehmen uns ein Zimmer in der Lodge; eine weise Entscheidung, wie wir bald merken, denn ab sofort regnet es den ganzen Abend fast ununterbrochen. Nebenan im Liquor Store kaufen wir einen Sixpack Coors Light, dann wird im Zimmer eine gute Bohnensuppe gekocht, vorher gibt es Tomatensalat mit Butterbrot, zum Nachtisch Obst, Schokokekse und Kaffee. Dann unterhalten wir uns noch ein paar Takte mit Sharon, einer Radlerin aus Vancouver, die auf dem angeschlossenen Campground unter einer blauen Plane hockt und versucht, ihrem Benzinkocher eine warme Suppe zu entlocken. Es lebe Südfrankreich! Schon nach fünf Kilometern kommt am nächsten Morgen der US-Grenzposten, dann sind wir im Yukon Territory, Canada, wie uns ein schönes Holzschild verheißt. Canada empfängt uns mit Regen, einer gut 20 Kilometer langen Baustelle und wirklich ätzendem Gravel, fast nicht vorwärtsgekommen. Erst kurz vor dem Canada-Grenzposten, rund 30 Kilometer weiter, setzt der Asphalt wieder ein. In Canada muss man die Uhr eine Stunde vorstellen, es ist also schon eins anstatt zwölf; kein Wunder, dass wir solchen Kohldampf haben. Im ersten Ort, Beaver Creek, leisten wir uns deshalb ein gutes Mittagessen im 1202 Motor Inn, einem urigen Blockhaus mit ausgestopftem Grizzly in der Ecke. Es gibt Hamburger mit allem Zubehör, sogar ein Bierchen, und hinterher legen wir bei Buckshot Betty (Bockschuss-Betty) noch ein selbstgebackenes Küchlein drauf. Leider ist die einzige Visa Cashing Machine im ganzen Dorf defekt, aber trotzdem erhalten wir im 1202 Motor Inn 300 Canada-Dollar auf Kreditkarte, gottseidank, denn die nächste Möglichkeit zum Bargeld fassen kommt erst wieder nach 350 Kilometern in Haines Junction. Dann schauen wir noch in der Visitor Information vorbei, zum Glück, denn dort erfahren wir, dass die Koidern River Lodge, wo wie eigentlich übernachten wollten, schon eine ganze Weile nur noch als Laden existiert. Sid, der Ranger, bestellt uns dafür in der White River Lodge telefonisch eine Cabin Yukon scheint wohl noch einsamer zu sein als Alaska, man muss echt jede Informationsmöglichkeit nutzen. ![]() Auf den nächsten 60 Kilometern zum White River gibt es absolut nichts, wirklich gar nichts, nur einen Parkplatz mit Klo und bärensicherem Abfallbehälter. Es geht ständig bergauf und bergab, die Berge rundum sind frisch verschneit, wenigstens ist aber der Straßenbelag ganz passabel und das Wetter wird wieder besser. Gegen sechs sind wir am Ziel und kriegen ein hübsches kleines Blockhaus; der noch recht junge Wirt schenkt uns ein Bier, verkauft uns fünf Orangen zum Preis von zwei und erzählt, dass er in zwei Wochen auch dicht macht; jetzt, Anfang August, ist hier oben im Yukon die Saison bereits gelaufen. Sharon mit der blauen Plane ist auch schon da; die Accomodations sind hier oben so dünn gesät, dass man alle langsamen Reisenden wie beispielsweise Radler garantiert jeden Abend trifft. Heutiges Feierabendprogramm: Gutes Campbell-Gulasch mit Gemüse gekocht, in der mittlerweile schönen Abendsonne (!) noch ein bisschen vor der Hütte gehockt, kleiner Abendspaziergang zur angeschlossenen Tankstelle und bald ins Bett. Am Morgen dann absolut schönstes Wetter, kaum zu glauben! Schnell ist alles zusammengepackt; um halb neun kommen wir weg. In der Koidern River Fishing Lodge zehn Kilometer weiter können wir ein paar Lebensmittel kaufen, acht dicke Scheiben Grahambrot, eine Dose Wurst, Zwiebeln und Tomaten, dann essen wir in Pine Valley noch eine Zimtschnecke; mehr gibts nicht auf dieser Strecke. Aber die wunderbare Landschaft entschädigt; unzählige Bilder flutschen durch die Kamera, vor allem am Pickhandle Lake, wo sich schön die St. Elias Mountains im Wasser spiegeln. ![]() Nach 80 Kilometern wollen wir eigentlich im Kluane Wilderness Village zelten, aber der Platz ist miserabel, und bei so schönem Wetter ist Campen heute wirklich Pflicht. Das findet auch Sharon, die gerade wieder mal angerollt kommt, und wir beschließen, uns in der Führungsarbeit abzuwechseln und die 40 Kilometer nach Burwash Landing auch noch zu packen: "If we work together we can make it! Und anderthalb Stunden später sind wir dort, im Groupetto, aber dank elend langer und gerade frisch gewässerter Straßenbaustelle total versaut. ![]() In Burwash Landing darf man vor der Lodge direkt am Kluane Lake umsonst campen. Millionen Moskitos warten schon; heute werden wir wie noch nie zuvor gezwiebelt, dafür gibts eine gute Dusche und ein schönes Abendessen (Salat, Cheeseburger Deluxe, zwei Bier, Kaffee). Sharon gibt uns noch eine Menge Tipps für unseren weiteren Weg nach Süden. Sie ist Dr. chem., in der Krebsforschung tätig und weiß außerdem alles über Bären, vor denen sie, wie wir erfreut feststellen, sogar noch mehr Muffe hat als wir. Hoffentlich kommen heute Nacht keine; zur Vorsicht wird alles, was irgendwie riechen könnte als da seien Lebensmittel, Zahnpasta und Sonnenöl in der Lodge deponiert, dann kriechen wir unter heftigen Moskito-Attacken mit gemischten Gefühlen ins Zelt. Nachts um eins muss ich mal raus. Fast hätte ich mich nicht getraut! Gottseidank ist kein Grizzly in der Nähe, trotzdem zur Vorsicht nur das Nächstliegende, nämlich von der Brücke in den Bach gepinkelt und schnell zurück ins Zelt. Dann setzt aber doch noch ein recht guter Nachtschlaf ein. Um sieben stehen wir auf, nachdem es kurz vorher noch kräftig geregnet hat. Das Zelt wird schnell nass eingepackt, denn die Moskitos sind alle schon auf dem Posten; dann zum Frühstück in die Lodge gegangen. Am Nachbartisch sitzt ein Hamburger mit amerikanischer Ehefrau, der uns tolle Geschichten vom Fischen im Kluane Lake erzählt, mit meterlangen Hechten und Seeforellen. Er lebt davon, dass er für die deutsche Anglerzeitung "Blinker schreibt, ansonsten lässt er es sich gut gehen, hat ein Blockhaus auf Vancouver Island und einen alten Dodge, mit dem die beiden die Fischgewässer abklappern. Wir bleiben ewig sitzen und verträumen die Zeit. Tolles Leben, könnte uns auch gefallen, wenn mal endlich einer von uns lernen würde, wie man einen Fisch ausnimmt. In der Lodge erfahren wir auch, dass erst gestern am Alaska Highway bei Destruction Bay (nur eine Stunde von hier) zwei Grizzlies gesichtet worden seien. Wir beschließen deshalb, auch die heutige Etappe noch mit Sharon zu radeln, und zwar möglichst gleich bis Haines Junction. Also aufgebrochen, bei bedecktem Himmel und mal wieder ordentlicher Kälte. Sharon radelt hinterdrein und singt "Springtime in Alaska, thats 40 below. Doch kommen wir ganz gut vorwärts, und die beiden Problembären (das sind sie immer dann, wenn sie sich in der Nähe von Siedlungen herumtreiben und ihre Scheu vor Menschen verloren haben) haben sich zum Glück auch verkrümelt. Bald wird es wieder wesentlich wärmer und es kommt sogar die Sonne raus. Zudem ist die Strecke am Kluane Lake entlang traumhaft schön. Kurz vor Mittag erreichen wir den Cottonwood RV Park, bislang absolut schönster Campground auf unserem ganzen Trip, direkt am See, mit Terrasse, Laden, Wäscherei und vielen Blumen. Aber es ist noch zu früh, um hier den Tag zu beschließen Freud und Leid des Tourenradlers! Aber wir nehmen wenigstens ein paar Kekse und eine Coke mit Seeblick. ![]() Am Info-Center des Kluane National Parks ist dann der Lunch fällig. Das ist hier das Verbreitungsgebiet der Dall Sheep, die aber leider, wie uns der Ranger erzählt, gerade alle auf der Rückseite des Bergs seien. Dafür treffen wir einen Reisebus, und dessen Fahrer ("Yukon Ron) beglückwünscht uns zu unserer Courage und fragt, ob wir Meals on Wheels, Essen auf Rädern für die Grizzlies seien. Doch das sind wir eher für die Moskitos. Bald verlassen wir den Kluane Lake, bestimmt auf dieser Etappe bis jetzt das absolute landschaftliche Highlight, und dann geht es, ständig mit fantastischem Blick auf die St. Elias Mountains, kräftig bergauf zum Bear Creek Summit, mit 1000 Höhenmetern die höchste Stelle am Alaska Highway. ![]() Den erreichen wir aber erst nach einer langen Baustelle, wo wir mal wieder den Pilot Car nehmen müssen, und kurz vorher treffen wir, mitten im staubigsten Abschnitt, noch zwei radelnde Australier mit Mountainbikes und Anhängern (Where you headin to, Röchel, Spotz?). Gegen halb sechs erreichen wir tatsächlich nach strammem Ritt und zum Schluss fetziger Abfahrt Haines Junction eine weitere 120-Kilometer-Etappe ist geschafft. Wir checken auf dem Kluane R.V. Kampground ein und kriegen ein nettes, schattiges Plätzchen mit Tisch und Bank und free Firewood. Doch wir ziehen heute eine Pizza vor, die vor einer netten Bäckerei im Freien serviert wird (ist endlich mal wieder schön warm hier), wunderschöner Abend. Danach kurbeln wir noch kräftig den Umsatz im Supermarkt an, dem ersten seit langem. Zum Tagesausklang werden noch in der Laundry die Radklamotten gewaschen, die vor Yukon-Dreck fast in der Ecke stehen können, während die Sonne atemberaubende Lichtstimmungen über das Camp legt. Erst kurz vor zehn kommen wir am nächsten Morgen weg. Herzlicher Abschied von Sharon, die heute hier in der Gegend eine Kanutour machen will und dann nach Haines weiterfährt. War ein guter Kumpel, aber zu zweit Radeln liegt uns doch viel besser! Dann kommen wir lange nicht in die Gänge; die schweren Etappen der vergangenen Tage spüren wir doch noch in den Knochen. Ist aber ein wunderschöner Tag heute, recht warm, sodass wir bald den Faserpelz ablegen können und fast mit dem Gedanken spielen, die kurzen Trikots hervorzukramen. Unseren Lunch essen wir heute, nach nur 33 Kilometern etwas vorzeitig, an der Otter Falls Cutoff Service Station. Das ist mal wieder ein toller Laden, drinnen gibt es alles an ausgestopften Viechern, was jemals durch die Yukon Territoriers gekreucht, gefleucht oder geschwommen ist, vom King Salmon über den Wolf bis zum Elch und zum Grizzly. Und der Picknick- und Campingplatz ist so schön, dass wir es echt bedauern, nicht schon wieder hier den Tag beschließen zu können. Zwanzig Kilometer weiter sehen wir am Straßenrand ein Stück voraus etwas sich langsam vorwärts bewegen. Ein Radler? Doch nein, es ist ein Fußgänger, der einen Buggy mit Gepäck vor sich herschiebt. Das ist Dwight Miller aus Seattle, der in seinem Urlaub den ganzen Haines-Skagway-Loop (immerhin 580 Kilometer) zu Fuß abschreitet. Wie wir erfahren, geht er so runde 25 Kilometer am Tag, dann schlägt er sich irgendwo zum Übernachten in die Büsche. Echt goofy, der Mann! Wir wünschen Dwight einen guten Trip, dann ist er bald hinter uns am Horizont verschwunden. ![]() ![]() Weiter geht es, nicht ganz so schön wie gestern ist die Strecke, aber es rollt gut. Auch eine Straßenbaustelle hält uns kaum auf, dafür gibt es kaum Service Stops und Accomodations heute. Am Takhini River Valley View Point, wo man die Spätfolgen des gigantischen Waldbrands von 1958 erklärt kriegt, müssen wir doch glatt unseren Kanister mit Emergency Water angreifen, den wir schon seit Anchorage durch die Gegend strampeln. Nächste Übernachtungsmöglichkeit laut Info-Blatt der Nationalparkverwaltung: Sebastians Blue Kennels; wir haben jetzt schon wieder gut 105 Kilometer zurückgelegt. Nach einem Kilometer Holperweg von der Straße herunter erreichen wir das Business es ist ein deutscher Aussteiger namens Sebastian, der Hundeschlitten-Touren durch die Weiten des Hinterlands anbietet. Leider ist Sebastian nicht daheim, nur seine Freundin und seine 107 Schlittenhunde, von denen jeder faul vor oder in seinem Hüttchen liegt. Leider ist keine Cabin frei, schade, dort hätte es uns gefallen! Aber die Freundin ruft bei einem benachbartem Bed & Breakfast an (in Yukon heißt das 15 Kilometer weiter), und so geraten wir nach wieder mal 122 Kilometern strammem Tagesritt an Heidi, ehemalige Krankenschwester aus Bamberg, die uns eine fantastische Blockhütte vermietet. ![]() Nicht zum ersten Mal müssen wir sagen, dass wir zum Übernachten einen echten Volltreffer gelandet haben. Ehrlich, Yukon gefällt uns immer besser! Heidi hat 30 Jahre im Krankenhaus gearbeitet; jetzt ist sie seit drei Jahren hier und hat für sich selbst ein schönes, zweistöckiges Blochhaus mit allen Annehmlichkeiten gebaut, dazu zwei kleinere Hütten, die sie an Gäste vermietet. Davon und von ihren selbstgemalten Bildern lebt sie, und am Anfang hatte sie alle möglichen Schwierigkeiten zu überwinden. Das riesige Grundstück, das 95000 $CDN gekostet hat, musste sie erst selbst roden. Wasser hat es auch nicht (kommt alle paar Tage mit dem Tankwagen), Strom erst seit kurzem im Haupthaus, in unserer Hütte gibt es nur eine Petroleumlampe, dafür einen schönen Ofen, Gasherd mit Spüle und wunderschöne rustikale Möbel. Wir kochen ein Super Dinner (Potato-Ham-Chunky Soup mit Nudeln und Parmesankäse satt, danach Cookies mit Kaffee), dann sitzen wir noch bis elf vor der Hütte und zünden ein schönes Campfire ab. Sehr schöner Tag gewesen heute wieder! Übrigens hat Heidi, wie sie sagt, schon manches Mal Bären auf dem Grundstück gehabt, und im Winter ziehen immer die Wolfsrudel durch. Heim nach Germany will sie auf keinen Fall mehr, und irgendwie können wir das verstehen. Die letzten 40 Kilometer nach Whitehorse legen wir mal wieder im Regen zurück. Doch als Entschädigung finden wir dort gleich am Stadtrand den wirklich besten Supermarkt unseres ganzen Trips (Super A Foods). Ich kaufe Käsebrötchen, Tomaten, Zwiebeln, Pfefferschinken, Bananen, Joghurt und zwei alkoholfreie Biere (Clausthaler! Wie das wohl nach Yukon kommt?). Im verglasten Wartehäuschen der nahen Bushaltestelle ward sicher noch niemals besser zu Mittag gegessen, und als wir fertig sind, hört der Regen auf, die Sonne kommt raus und die Welt ist absolut wieder in Ordnung. Nach Besuch beim Visitor Center und ein paar Fotos vom historischen Paddlewheeler "S. S. Klondike checken wir auf dem schönen Robert Service Campground ein, direkt am Yukon River. Dieser Fluss gefällt uns unwahrscheinlich; er symbolisiert für uns, wie er so breit, wild und in einem unwahrscheinlichen Blaugrün dahinfließt, gleichermaßen die spannende Gold Rush Time Ende des 19. Jahrhunderts und die weite Unberührtheit des amerikanischen Nordwestens mit ihrer ganzen Romantik. ![]() Wir sind gut in der Zeit und wollen einfach mehr sehen, und da für jeden Alaska-Yukon-Fan ein Abstecher nach Dawson City einfach Pflicht ist, nehmen wir für morgen und übermorgen bei Budget einen Mietwagen. Und wir gehen ins McBride Museum. Das McBride Museum of the Yukon ist recht klein und ein Privatmuseum, aber sehr gut. Man erfährt darin alles über den Goldrausch, sieht die verschiedenen Goldgewinnungsmethoden vom Goldpanning über die Sluice Box bis zur Dredge, dazu einen recht interessanten Film und draußen im Hof die Blockhütte von Sam McGee (in memoriam Robert Service, siehe weiter unten) und die Lokomotive # 51 der White Pass ans Yukon Railroad. Das Interessanteste aber ist für uns ein Foto der beiden Paddlewheeler Casca und Whitehorse, die sich die Stadt Whitehorse zum Restaurieren ans Ufer gelegt hatte und die im Jahr 1974, nachdem bereits mehr als 40.000 $CDN investiert waren, in wenigen Minuten niedergebrannt sind. Der Grund dafür ist bis heute nicht ganz geklärt; vermutlich hat ein Penner drin gezündelt, weil er eine warme Bude wollte. Schade drum; für Paddlewheeler haben wir (ähnlich wie für Eisenbahnen) was übrig. Fast zwei Stunden sind wir im Museum, ruckzuck verfliegt die Zeit. Und am späten Nachmittag langt es gerade noch, um zur Fish Ladder hinaus zu fahren, der weltgrößten hölzernen Lachstreppe, die das örtliche Kraftwerk in Zusammenarbeit mit der Yukon Fish and Game Association am Stauwehr des Lake Schwatka hat aufstellen lassen. Von oben und durch seitliche Glasfenster kann man hier die King Salmons stromaufwärts schwimmen sehen. Nur der King- oder Chinook Salmon als größter und stärkster Lachs schafft diesen weiten Weg bis hier, immerhin 2000 Kilometer flussaufwärts von der Yukon-Mündung. Die Fische sind hier schon ganz rot gefärbt und kurz vor ihrem Ende bzw. der Eiablage, unheimlich beeindruckend anzusehen. Und danach sehen wir an den nahen Hidden Lakes, fast noch im Stadtgebiet von Whitehorse, doch tatsächlich noch einen Biber. Ein Schäferhund springt ins Wasser und will ihn fangen doch kaum ist der Hund heran, haut der Biber mit seinem flachen Schwanz aufs Wasser und ist weg, nur um kurz darauf zehn Meter weiter wieder aufzutauchen. Das macht er etwa fünfmal, bis es dem Hund schwindlig wird; fast scheint der Biber dabei zu lachen. Und wir freuen uns, endlich wenigstens mal ein paar landestypische Tierlein gesehen zu haben, wenn schon keine Bären, dann wenigstens Lachse und Biber. Abends gehen wir in die Pizza Hut, bestellen eine Giant Supreme und hauen kräftig hinein, fast wie bei einem Siegesmahl. 1200 locker geradelte Kilometer durch ein hochinteressantes Land, das kann man schon feiern! Dann biken wir bei wunderschöner Abendbeleuchtung am Yukon entlang zum Campground zurück. Auf die Gefahr, mich zu wiederholen: Wieder ein sehr schöner Tag heute; tief und traumlos geschlafen! ![]() Um halb sieben schellt der Wecker, schnell aufgestanden; traumhaftes Wetter heute, aber sehr frisch. Wir frühstücken in drei Kitteln, dann bauen wir das Zelt ab und radeln zum Autovermieter. Dort kriegen wir einen schönen Ford Focus und unsere Fahrräder einen trockenen Platz in der Werkstatt. Jetzt haben sie mal ein bisschen Pause. Nach kurzem Zwischenstopp in dem tollen Laden von gestern, wo wir ein ähnliches Mittagessen wie am Vortag erstehen, sind wir bald auf dem Klondike Highway, Kurs Dawson City. Ist ein wenig ungewohnt, mal wieder in einem Auto zu sitzen. Der Ford läuft ganz gut, nur bei Bodenwellen hopft er fröhlich, und davon hat der Klondike Highway eine Menge. Und wir sind doch recht froh, dass wir zum Radeln die ALCAN genommen haben; diese Straße hier ist landschaftlich bei weitem nicht so schön, und der Verkehr ist so spärlich, dass wir oft zehn Minuten oder länger gänzlich allein dahinrollen. ![]() Trotzdem treffen wir keinen einzigen Bären, was wir eigentlich gehofft hatten, und die Höhepunkte beschränken sich auf die Braeburn Lodge, wo man im Anblick dekorativ vergammelter Laster eine Zimtschnecke mampfen kann, die Montague Roadhouse Historical Site und das Mittagessen bei den Five Finger Rapids, wo man eine schöne Aussicht auf den Yukon hat. Diese Stromschnelle war früher der Schrecken aller Raddampfer, bis man sie nach Jahren durch Sprengungen entschärfte. Kurz nach fünf treffen wir auf den Klondike River, Home of the 1897 Gold Rush, und bald darauf sind wir in Dawson City. Die Stadt mit ihren alten Holzhäusern (von liebevoll restauriert bis total vergammelt), Staubstraßen mit Bretter-Gehwegen und einem tollen Paddlewheeler an der Riverfront gefällt uns auf Anhieb. ![]() Schnell checken wir im Bunk House Hotel ein, begeben uns auf eine ausgedehnte Stadtbesichtigung, kaufen ein gutes Abendessen (mal wieder Chili, mit frischem Salat) und zwei Karten für die Gaslight Follies. Heute wird mal wieder im Zimmer gekocht, dabei sitze ich vor der Tür mit einem alkoholfreien Bierchen in der Hand Schmiere (Inroom cooking prohibited by law!). Dann die Show angeschaut (ganz lustig, Klondike Kate im Dawson City der Goldrauschzeit), Abendspaziergang durch die malerisch-wildwestmäßigen Gassen, vorbei an den Blockhütten von Jack London und dem Yukon-Barden Robert Service. ![]() ![]() Apropos Robert Service: Das war der mit der Ballade vom ständig frierenden Goldgräber Sam McGee, dessen letzter Wunsch es war, nach seinem Tod verbrannt zu werden, damit er endlich mal warme Füße habe. Irgendwie können wirs verstehen! Am nächsten Morgen machen wir noch diverse Fotos in Downtown Dawson, für die es gestern Abend nicht mehr gereicht hat, dann fahren wir zur Dredge # 4 hinaus. Das sind 16 Kilometer auf schlechter Straße, aber dann sehen wir den größten Goldbagger im Klondike-Gebiet vor uns, der früher industriell den Flusssand abgebaut und auf Nuggets durchgesiebt hat. Heute ist er ein National Monument von Parks Canada. ![]() Gegen halb elf dann überqueren wir den Yukon auf der Fähre, die hier von Anfang Mai bis Mitte September on duty ist. Danach geht hier nichts mehr, es liegt Schnee und der Fluss friert teilweise zu. Am anderen Ufer gibt es noch aus der Höhe das berühmte Foto mit Blick auf Dawson diese Stadt hat uns unbedingt auf unserem ganzen Trip am besten gefallen und ist absolut eine Reise wert. ![]() Dann schauen wir noch kurz auf dem Paddlewheeler Graveyard vorbei, wo drei fast gänzlich verfallene Flussdampfer vor sich hinrotten das ist der adäquat romantische Abschluss unseres Besuchs in der Goldgräberzeit, und abends sind wir dann wieder in Whitehorse. Am nächsten Morgen geht es wieder weiter mit dem Rad da hat uns doch schon was gefehlt! Unsere Iron Horses scharren freudig mit den Reifen, als wir sie aus der Werkstatt bei Budget befreien. Gegen neun brechen wir bei kräfitigem Gegenwind auf und sind bald wieder auf der ALCAN, Kurs Süd. Doch nach 18 Kilometern zweigen wir rechts ab auf den South Klondike Highway, unsere letzte Straße in Yukon / Alaska, noch runde 160 Kilometer Endspurt bis Skagway. Bald radeln wir durch eine sehr schöne Landschaft aus Seen und interessanten Bergen mit Flecken von ewigem Schnee, das sind die Ausläufer der Küstenkordillere, die dafür sorgt, dass es in den ganzen Yukon Territories fast immer schön und trocken ist und Skagway dafür als Regenloch gilt. Hier gibt es den gleichen Effekt, der bei uns als Fön bezeichnet wird; die Wolken steigen an den Bergen hoch, regnen sich über Skagway ab und die verbliebene Warmluft fetzt fast wie ein Sturm durch die Quellflusstäler des Yukon in Richtung Whitehorse. Für uns heißt das, der Gegenwind wird noch stärker als auf dem Alaska Highway und nimmt fast Orkanstärke an. Stundenlang kämpfen wir uns in den kleinsten Gängen durch diese Naturgewalt. Der traditionelle Leitplanken-Lunch bringt zwar etwas Kraft zurück, aber heute weht es uns fast die Wurst vom Brot. ![]() Nachmittags um zwei erreichen wir den Emerald Lake, dessen heller Seeboden das einfallende Tageslicht reflektiert und im Wasser fantastische Effekte von hell- bis dunkelgrün und schwarzblau erzeugt. Außer dem Kluane Lake haben wir bestimmt noch keinen schöneren See gesehen. Wir fahren deshalb eine der Schotter-Zufahrtsstraßen hinunter, um in einer stillen Bucht eine Weile zu rasten. Der Strand, den wir schließlich finden, ist schon von einer Kanugruppe belegt, die hier Paddel-Übungsstunden absolviert. Dabei erfahren wir, dass es an unserem vorgesehenen Endpunkt Carcross nur Camping Facilities und kein gescheites Hotel gibt. Und so checken wir in nur 60 Kilometer Entfernung von Whitehorse im Spirit Lake Wilderness Resort ein, das dem Holländer Joop mit Familie gehört. Dort erhalten wir eine nette Blockhütte, zwar ohne Strom und Wasser, dafür mit Seeblick und freundlichem, aber ständig hungrigem Schäferhund vor der Tür. Interessehalber und ohne Gepäck radeln wir kurz darauf doch noch die zehn Kilometer bis Carcross hinunter. Das ist mal wieder ein sehr netter Ort, mit uraltem Kramladen, Bahnhof der White Pass and Yukon RR (dieses Streckenstück ist derzeit noch stillgelegt), dem besagten Hotel, das wirklich kurz vor dem Einfallen ist, und einem weiteren ausgebrannten Paddlewheeler am Ufer des Lake Bennett. Wir erkundigen uns im Visitor Center nach dem Wetter in Skagway (es soll tatsächlich die nächsten Tage regnen) und kaufen ein paar Lebensmittel, dann zurück in unser Blockhaus. Ein gutes Nudelgericht mit Tomatensoße, Parmesan und Salat, dazu vier Bierlein (Molson Canadian) beschließt den Tag; wir schlafen gut, obwohl der Wind die ganze Nach heult. Morgens beim Aufstehen rauschen die Baumwipfel immer noch kräftig. Dazu ist der Himmel total zugezogen. Kurz vor acht sind wir nach kräftigem Frühstück schon auf der Straße. Morgens soll der Wind immer am schwächsten sein, so haben wir gestern im Visitor Center erfahren ist tatsächlich auch nicht so stark wie gestern, aber uns langts trotzdem. Verbissen kurbeln wir vorwärts durch eine eigentlich wunderschöne Landschaft, der allerdings die grauen Wolken alle Farbe nehmen, und auch von den umliegenden Gletschern sehen wir absolut nichts. Nach rund 30 Kilometern, für die wir trotz fast ebenem Terrain gut zwei Stunden brauchen, gibt es bei der historischen Venus Mine ein zweites Frühstück aus Orangen und Keksen. In der Gegend wird auch heute noch Gold und Silber abgebaut, wie wir gelesen haben, und der Reiseführer warnt davor, bloß ja keine selbstgesammelten Beeren zu essen, da diese mit Arsen verseucht seien. Die vielgerühmte Goldgräberromantik hat also auch ihre Schattenseiten. ![]() Dann weiter, der Wind hat glücklicherweise etwas nachgelassen, und da wir uns in der Führungsarbeit abwechseln, kommen wir doch ganz gut vorwärts; auch, als sich einige ganz ordentlichen Anstiege in den Weg stellen. Gegen Mittag haben wir tatsächlich schon die halbe Strecke zurückgelegt, sogar trocken, und zum Lunch am Eingangsgitter eines Steinbruchs kommt sogar die Sonne raus, um dann allerdings nach fünf Minuten wieder dauerhaft für den Rest des Tages zu verschwinden. Weiter geht es, durch von tiefhängenden Wolken verdeckte Berge und vorbei an schönen Seen. Hin und wieder gibt es leichten Drizzel; wir nähern uns Skagway, das merkt man. Bei der früheren Ortschaft Log Cabin, wo seinerzeit die Goldsucher auf ihrem beschwerlichen Weg gen Yukon Rast machten und sich verpflegten, kreuzen wir die Schienen der White Pass & Yukon Railroad (in diesem Teil bis zum Lake Bennet ist sie noch in Betrieb). Kurz darauf sind wir in Fraser an der canadischen Grenze; 80 Kilometer sind geschafft. Und hier setzt jetzt der Regen ein, aber kräftig. Dafür sehen wir, während wir gerade an der Grenzstation unsere Regenklamotten anlegen, als kleine Entschädigung zwei Elche über den nahen See schwimmen. Leider sind sie zu weit weg für ein Foto, aber es ist sehr beeindruckend, wie sie schwimmend eine kilometerlange Strecke zurück legen und dabei recht schnell vorwärtskommen. Und dann kommt sogar noch der Zug, mit offenem Aussichtswagen, in dem viele feuchte und grimmig blickende Wanderer sitzen. ![]() ![]() Den White Pass, auf den nicht einmal ein Schild hinweist, überqueren wir irgendwo auf den nächsten Kilometern, ohne es überhaupt zu merken. Dann geht es plötzlich steil bergab; dabei schifft es jetzt so fürchterlich, dass kaum noch die Bremsen greifen. Als dann nach zwölf Kilometern die U.S. Border auftaucht, müssen wir schon 500 Meter vorher zu bremsen anfangen, um rechtzeitig vor der Grenzbeamtin zum Stehen zu kommen. Unter einem schönen Vordach gibt es noch einen Apfel und die letzten Kekse; 105 Kilometer haben wir bis hier zurückgelegt, das meiste hätten wir. Wenig später trudeln wir in Skagway ein End of our Alaska / Yukon Bike Trip! Im immer noch strömenden Regen fahren wir zunächst mal die günstigsten Hostels ab, aber alle Couple Rooms sind belegt. Da nehmen wir halt zwangsläufig ein nicht ganz billiges Zimmer in der Gold Rush Lodge, wo wir, wie sich bald herausstellt, ganz gut aufgehoben sind. Vor allem erfreut heute die schöne heiße Dusche, dann leihen wir uns von der netten Lady am Front Desk zwei Regenschirme und machen uns auf zum Stadtbummel. Skagway ist, so rein vom Städtchen her, eigentlich sehr nett, ein bisschen Goldrausch-Relikt wie Dawson, viele Andenkenläden. Sogar ein italienisches Restaurant soll es geben, frohgemut machen wir uns dorthin auf, finden auch die Stelle und stehen vor einem unbebauten Grundstück mit einem Bretterhaufen im Hintergrund. Ja, dieses Business sei closed up, erfahren wir in der Nachbarschaft, doch dann finden wir zum Glück noch die Pizza Station, und dort ziehen wir, als Reminiszenz an unsere heutige, letzte und bislang härteste Alaska- Yukon-Etappe, eine riesige Peperoni-Onion-Pizza mit allem Zubehör hinein. ![]() ![]() Zum Tagesausklang machen wir, es regnet immer noch wie mit Kübeln, noch einen kleinen Spaziergang zum Hafen. Dort liegen zwei riesige Kreuzfahrer vor Anker, das erklärt auch, warum vorhin im Städtchen so viele Touristen unterwegs waren. Das kleine Skagway sei, so haben wir gestern in der Visitor Information in Carcross gehört, der pro Einwohner profitabelste Hafen der Welt das glauben wir unbesehen. Einen Grund muss es ja gaben, das hier jemand freiwillig leben will. In der Lobby der Gold Rush Lodge dürfen wir noch ein bisschen im Internet surfen, dabei entnehmen wir dem Weather Channel, dass es in Skagway auch die nächsten zehn Tage noch kräftig regnen soll, nur an einem Tag regnet es leicht und an einem weiteren gibt es verbreitet Schauer. Auch anderntags an unserem letzten Ruhetag hört der Regen nicht ein einziges Mal auf. Wir fragen die Lady am Front Desk, ob hier auch manchmal die Sonne scheine. Die ist ganz entrüstet und meint, erst vorige Woche habe es drei Stunden Sonnenschein gegeben und ob wir nicht sehen, wie braun sie sei. Nix wie weg hier! Wir sind echt froh, dass morgen unser Dampfer fährt ich glaube, an keinem Ort der Welt, den wir bislang gesehen haben, würden wir so ungern leben wie in Skagway, da ist echt der tropische Regenwald im Amazonasbecken eine Trockenwüste dagegen. Wir verbringen den Ruhetag in der Coin Laundry, bringen die Fahrräder auf Vordermann (Ketten total rostig!), machen einen mehrstündigen Mittagsschlaf und die geplante Radtour nach Dyea zum Anfang des historischen Chilkoot Trail fällt in beidseitigem Einvernehmen aus. Am nächsten Morgen hat es doch tatsächlich zu regnen aufgehört, dafür bläst der Wind fast mit Orkanstärke. Schnell sind wir ausgecheckt; bei der Fahrt zum Hafen kommen wir kaum vorwärts. Unsere Alaska Ferry, die "Malaspina, liegt schon da; ist etwas kleiner, als wir zunächst angenommen hatten, wirkt aber sauber und gepflegt. ![]() Um 10.45 Uhr dürfen wir dann an Bord. Die Fahrräder kriegen einen Platz im Bug neben allerlei Fracht und Ersatzteilen, wir richten uns in einer Sofaecke in der Fernsehlounge häuslich ein. Und als wir kurz vor zwölf endlich losfahren stellen wir erfreut fest, dass das Schiff sehr ruhig läuft und kaum schwankt; das feiern wir dann gleich mit einem ausgedehnten Mittagessen (Onion Rolls mit Hormels Peperoni, Tomaten, Zwiebeln und Chips, danach Äpfel und Chips Ahoi). Nächster Anleger ist Haines. Man darf sogar von Bord; wir schauen beim Verladen zu und sehen doch tatsächlich im Terminal noch einen Weißkopf-Seeadler, allerdings ausgestopft. Und da wir uns nach kräftigem Essen auch ein bisschen wie ausgestopft fühlen und es außerdem schon längst wieder regnet, machen wir noch einen schönen Mittagsschlaf in unserer gemütlichen, aber etwas zu kurzen Sofaecke, bis sie nebenan volle Kanne den Fernseher anstellen. So vergehen die nächsten drei Tage. Wir verbringen sie mit Lesen, Spaziergängen auf den verschiedenen Decks (wenn es mal nicht regnet) oder bei einem Coors Light und einer Runde Rummy in der Bar. Manchmal sehen wir, allerdings immer sehr weit draußen, ein paar Wale, meistens jedoch nur die Wasserfontäne und einen schwarzen Schatten, einmal kurz eine aufgerichtete Flosse. Doch die tolle Landschaft ringsum, bestehend aus unzähligen Inseln und Inselchen, ist auch sehr interessant zu betrachten; in regenfreien Passagen sitzen wir, tief eingemummelt, an Deck und lassen sie wie im Breitbandkino vorüberziehen. Und bei allen Stopps vertreten wir uns ein bisschen an Land die Füße. ![]() Abends bittet immer der Smutje zu Tisch: Es gibt Burger mit Pommes, manchmal auch Pommes mit Burger, und einmal, kaum zu glauben: ein King Salmon Menue! Freudestrahlend stellen wir uns mit unseren Tellern an, sehr gut duftet der gebratene Lachs und wird serviert mit Kartoffelbrei, Erbsen, Bratensoße und Cola. Rölps! Da ist der arme Fisch tausende von Meilen ganz allein durchs feindliche Meer bis zu seinem Geburtsfluss in Alaska geschwommen also, ein solches Ende hätte er nicht verdient. Es lebe Gateway Salmon Bake in Tok! Pünktlich um 8.00 Uhr (Pacific Time) legt die "Malaspina in Bellingham an. Zügig rollen wir weiter nach Süden, Kurs Seattle. Eigentlich, so müssen wir denken, haben wir kaum einmal ein Reiseziel so oft verflucht wie Alaska / Yukon: Regen, Wind, Moskitos, endlose Eisamkeits-Etappen, kaum Sehenswürdigkeiten, und überhaupt... Aber wir waren uns auch noch nie bei einem Gebiet so sicher, dass es uns dort mal wieder hinzieht dieses Land entfaltet seinen Charme eben erst auf den zweiten Blick. Schließlich haben wir bislang weder einen Bären noch den Mt. Denali gesehen, müssen unbedingt mal eine Kanufahrt auf dem Yukon machen, mit Sebastian Hundeschlitten fahren und nochmal in Tok einen Lachs essen. So long, Alaska see you!
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